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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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war etwas Neues. Die Grenze, die sie von ihnen trennte, erschien ihr wie eine durchlässige Membran. Ihre Augen waren brennende Schlitze, als sie zusah, wie ein halbes Dutzend Männer mit ausdruckslosen Gesichtern und in zerlumpten Khakihosen und dröhnenden Stiefeln in den Container stieg und routiniert anfing, die Toten herauszuholen. Sie sah ihnen an, dass das Gewicht eines leblosen Körpers etwas war, woran diese Männer gewöhnt waren, dass es nicht mehr Rücksicht erforderte als jeder andere unhandliche Gegenstand, den man gelegentlich tragen musste. Leiche um Leiche wurde so weggeschafft, umstandslos. Als sie zu ihr kamen, hob Sara protestierend die Hand, und vielleicht sagte sie etwas wie » Bitte« oder » Wartet« oder » Das dürft ihr nicht«. Aber diese kläglichen Versuche wurden im Keim erstickt durch einen brennenden Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht, sicherheitshalber gefolgt von einem Stiefeltritt, der sie in den Bauch getroffen hätte, wenn sie sich nicht schützend zusammengekrümmt hätte.
    » Halt. Die. Schnauze.«
    Das tat sie dann. Sie hielt die Schnauze. Der Mann, der sie geschlagen hatte, war ein Kol, den Sara als Sod kennenlernen sollte. Bei den Bürgern des Flachlands hatte jeder Kol einen Spitznamen. Sod hieß Sod, weil er gern Leute vergewaltigte– auf sodomitische Art. Viele von ihnen taten so etwas gern. Es war ein Spiel für sie, aber Sod zeichnete sich durch das breite Spektrum seines Appetits aus. Frauen, Männer, Kinder, Vieh– Sod hätte den Wind vergewaltigt, wenn der ein Loch gehabt hätte.
    Auch Sara würde im Schuppen an die Reihe kommen: kurz, brutal, fertig. Kurzfristig hatte der Schmerz, den seine Schläge ihr zufügten, den widersinnigen Effekt, dass er sie zur Besinnung brachte. Strategien nahmen Gestalt an, Prioritäten ordneten sich. Unter dem Strich erschien es ihr erstrebenswert, am Leben zu bleiben, und Schnauzehalten war offenbar die beste Methode dazu. Sei still, ermahnte sie sich. Passe dich an. Sieh, was du sehen kannst, ohne dass man es dir anmerkt. Wenn sie dich umbringen wollen, werden sie es sowieso tun.
    Sag nichts von dem Baby.
    Die Knüppel kamen ans Licht, stießen und knufften sie vorwärts in die Sonne. Die Umgebung war grün. Ihre Üppigkeit verspottete sie wie ein grausamer Witz. Der Lastwagen stand auf einer Art Sammelplatz, einem mit Draht umzäunten Gelände, auf dem stumpfe Betonbaracken mit glänzenden Blechdächern standen. Daneben, ein paar hundert Meter weit entfernt, erhob sich ein mächtiges Gebäude, wie sie es noch nie gesehen hatte. Es sah aus wie eine gigantische Badewanne. Hohe Scheinwerferbatterien ragten vom Rund der Mauern ein paar hundert Fuß hoch in die Luft. Sara sah, wie ein glänzender Lastwagen wie der, aus dem sie gerade gekommen waren, auf den Riesenbau zufuhr. Männer mit Gewehren trabten neben ihm her. Sie trugen klobig wattierte Kleidung und hatten Gittermasken vor den Gesichtern. Als der Truck vor dem Gebäude ankam, sah es aus, als versinke er im Boden. Da war eine Rampe, erkannte Sara, auf der er unter die Erde fuhr. Ein Tor öffnete sich, und er war verschwunden.
    » Blick nach unten. Nicht reden. Zwei Reihen, Frauen links, Männer rechts.«
    In einer der Baracken befahl man ihnen, sich auszuziehen und ihre Kleider auf einen Haufen zu werfen. Jetzt standen sie nackt da, dreiundzwanzig Frauen in reflexhaft identischer Schutzhaltung: Der eine Arm bedeckte waagerecht die Brüste, der andere war nach unten gestreckt, und die Hand lag auf dem Geschlecht. Drei uniformierte Männer schauten auf den Fersen wippend zu, abwechselnd unverhohlen geil und mit angewidertem Lachen. Im Boden waren Gitter eingelassen– Abflüsse. Durch eine Reihe von langen, vergitterten Fenstern unter der Decke fielen schräge Lichtstrahlen herein. Dreiundzwanzig nackte Frauen, die wortlos zu Boden starrten, die meisten in Tränen aufgelöst: Jedes laute Wort wäre ein Verstoß gegen eine unausgesprochene Vereinbarung zum Weiterleben. Und was immer auf sie zukam, schien sich Zeit zu lassen.
    Dann der Schlauch.
    Das Wasser prasselte mit eiskaltem Strahl auf sie ein. Wasser als Waffe, Wasser als prügelnde Faust. Alles schrie, Frauen taumelten, rutschten zu Boden. Der mit dem Schlauch hatte einen Riesenspaß; er jauchzte wie ein Reiter auf einem galoppierenden Pferd. Erst stieß er eine zu Boden, dann eine andere. Er strich über eine ganze Reihe hinweg, ließ den schmetternden Strahl im Zickzack von ihren Gesichtern zu ihren Brüsten und

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