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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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erschießen.«
    Grey war so verdattert, dass er nicht antworten konnte. Das Letzte, was er haben wollte, war eine Pistole. Wenn jemand eine Waffe bei ihm fände, würden sie ihn ganz sicher wieder ins Gefängnis zurückschicken. Als er keine Anstalten machte, die Pistole zu nehmen, legte Ignacio sie auf den Nachttisch.
    » Na ja, überleg’s dir. Trödel nur nicht herum, wie ich es getan hab. Es wird immer schwerer, je länger du wartest. Sieh dir an, in was für einer Scheiße ich sitze.«
    Ignacio ging zur Tür, und dort drehte er sich noch einmal um und ließ den Blick durch das Zimmer wandern.
    » Wir haben’s wirklich getan. Falls du dich, weißt du… falls du dich gefragt hast.« Er atmete betrübt ein, blies die Luft mit dicken Backen aus und hob das Gesicht zur Decke. » Das Komische ist, ich weiß wirklich nicht, womit ich das verdient hab. Ich war nicht so schlimm, eigentlich nicht. Die Hälfte von dem ganzen Zeug wollte ich gar nicht machen. Ich war halt so gepolt.« Er sah Grey wieder an, und seine Augen glänzten feucht. » Das hat der Psychiater immer gesagt. Ignacio, du bist halt so gepolt.«
    Grey hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Manchmal gab es einfach nichts Passendes, und wahrscheinlich war das hier so ein Augenblick. Ignacios Gesichtsausdruck erinnerte ihn an ein paar der Insassen in Beeville: Männer, die so lange im Knast gewesen waren, dass sie aussahen wie Zombies in einem alten Film. Männer, die sich nur mit der Vergangenheit beschäftigen konnten und vor sich nur ein endloses Nichts hatten.
    » Na, scheiß drauf.« Ignacio schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. » Hat wohl keinen Sinn mehr, sich noch drüber zu beklagen. Wie man sich bettet, so liegt man. Überleg dir, was ich gesagt habe, ja? Man sieht sich, Grey.« Licht flutete durch die offene Tür herein, und er war weg.
    Was sollte er damit anfangen? Eine ganze Weile lag Grey still da, und seine Gedanken begannen, sich hektisch im Kreis zu drehen. Er konnte nicht mal mit Sicherheit sagen, ob er wach war oder noch schlief. Kurz betrachtete er die Fakten, damit sein Verstand etwas hatte, woran er sich festhalten konnte. Er lag auf einem Bett. Das Bett stand in einem Motel, einem » Red Roof«. Das Motel war wahrscheinlich irgendwo in Colorado, was hieß, dass er nicht weit gekommen war. Nach dem Licht in den Fenstern zu urteilen, war es Morgen, ein Morgen im Frühling oder im Frühsommer. Verletzt war er anscheinend nicht. Irgendwann in den letzten vierundzwanzig Stunden– vielleicht war es länger her, vielleicht nicht so lange, aber bestimmt nicht länger als einen Tag– hatte er das Bewusstsein verloren.
    Das war nicht viel, aber immerhin etwas. Er musste sehen, wie es ihn weiterbrachte.
    Er stemmte sich auf den Ellenbogen hoch. Im Zimmer roch es nach Schweiß und Rauch. Sein Overall war schmutzig und an den Knien zerrissen, und seine Füße waren nackt. Er wackelte mit den Zehen, und die Gelenke knirschten und knackten. Alles schien zu funktionieren.
    Wenn er es sich recht überlegte– fühlte er sich nicht plötzlich besser? Nein, nicht einfach besser– viel besser. Die Kopfschmerzen und der Schwindel waren weg. Er konnte wieder klar sehen. Arme und Beine fühlten sich fest und stark an, voller Kraft und Saft. Er hatte immer noch einen üblen Geschmack im Mund– Aufgabe eins bestand darin, eine Zahnbürste oder ein Päckchen Kaugummi aufzutreiben–, aber davon abgesehen fühlte Grey sich bestens.
    Er schwenkte die Füße auf den Boden. Das Zimmer war klein. Es hatte gerade Platz genug für die beiden Betten mit ihren orange-braunen Tagesdecken und einen kleinen Tisch mit einem Fernsehapparat. Aber als er nach der Fernbedienung griff und den Fernseher einschaltete, kam nur ein leerer, schwarzer Bildschirm und ein Geräusch wie der Wählton bei einem Telefon. Er zappte durch die Kanäle: Die Lokalsender, CNN , War Channel, GOV TV – überall schwarze Bildschirme. Na, das passte ja. Er würde die Rezeption informieren müssen. Allerdings hatte er, soweit er sich erinnerte, nicht selbst eingecheckt, geschweige denn das Zimmer bezahlt. Seine Brieftasche war schon vor Monaten konfisziert worden, gleich nachdem er auf dem Gelände angekommen war.
    Das Gelände, dachte Grey, und das Wort lag ihm plötzlich schwer wie ein Stein im Magen. Was immer passiert sein mochte, er saß tief in der Patsche. Man haute da nicht einfach ab. Er erinnerte sich an Jack und Sam, die beiden Putzer, die verschwunden

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