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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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vorbeikommen.
    » Können Sie wenigstens Caleb sagen, dass ich hier war?«
    » Selbstverständlich, Lieutenant.« Ihr Blick huschte an ihm vorbei wie bei jemandem, der weiß, dass er beobachtet wird. » Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen…?«
    Peter kehrte in die Unterkunft zurück und verbrachte einen rastlosen Tag in seiner Koje, wo er nur an die Decke starrte. Sein Transport würde am nächsten Morgen um Punkt sechs abfahren, und er hatte keinen Zweifel daran, dass hinter dieser schnellen Abreise eine Absicht steckte. Männer kamen und gingen; sie polterten mit schweren Stiefeln durch den Schlafsaal, aber ihre Anwesenheit drang ihm kaum ins Bewusstsein. Amy und Greer– wo mochten sie sein? Und warum waren sie zusammen unterwegs? Wie hatte sie den alten Mann aus dem Gefängnis herausholen können, und wie waren sie an der Torwache vorbeigekommen? Er durchforschte sein Gedächtnis nach etwas, das einer von beiden gesagt oder getan hatte; etwas, das darauf hingedeutet hätte, dass sie eine derartige Flucht planten. Das Einzige, was ihm einfiel, war die seltsam heitere Gelassenheit, die der Major ausgestrahlt hatte– als seien die Mauern um ihn herum unbedeutend, eine bloße Illusion. Wie konnte das sein?
    Es war ein Rätsel wie alles andere in den letzten dreißig Tagen. Die ganze Sache kam ihm vor, als bewegten sich da Gestalten hinter einer Wand aus dichtem Nebel, sichtbar und doch unsichtbar.
    Die Stunden verstrichen, und Peters Gedanken kehrten zu dem Abend zurück, den er bei den Schwestern verbracht hatte: zu Caleb, zu dessen jugendfrischer Energie und Cleverness und zu der Freude in Amys Gesicht, als sie sich vor dem Herd umgedreht und ihn gesehen hatte. Zu dem stillen Augenblick seines Abschieds, den sie gemeinsam erlebt hatten, als ihre Hände sich berührt hatten. Die Geste war ihm völlig natürlich erschienen wie ein unwillkürlicher Reflex ohne Zögern oder Widerstreben. Es war, als sei sie aus seinem tiefsten Innern und zugleich aus weiter Ferne gekommen wie die Kräfte hinter den Wellen, die er so gern sah, wenn sie über den Strand rollten. Von allen Ereignissen der letzten paar Tage hatte er den Augenblick in der Tür besonders lebhaft in Erinnerung, und er schloss die Augen, um ihn noch einmal zu erleben. Ihre warme Wange an seiner Brust, die erfrischende Kraft ihrer Umarmung und die Art, wie Amy ihre ineinandergefügten Hände angeschaut hatte. Weißt du noch, wie ich dich damals geküsst habe? Er hörte ihre Stimme im Geiste, als er einschlief.
    Als er aufwachte, war es dunkel, und er hatte den Geschmack von Trockenheit und Staub im Mund. Er war überrascht, dass er so lange geschlafen hatte– ja, dass er überhaupt geschlafen hatte. Er streckte die Hand aus, um seine Wasserflasche vom Boden aufzuheben, als er sah, dass auf der Nachbarpritsche jemand saß.
    » Colonel?«
    Apgar war ihm zugewandt; seine Füße standen auf dem Boden, und er hatte die Hände auf die Knie gestützt. Er atmete tief durch, bevor er sprach, und Peter begriff, dass seine Anwesenheit ihn geweckt hatte.
    » Hören Sie zu, Jaxon, es kam mir nicht richtig vor, was da heute gelaufen ist. Aber was ich Ihnen jetzt erzähle, bleibt unter uns, verstanden?«
    Peter nickte.
    » Die Frau, die Sie beschreiben, wurde schon einmal gesehen, vor Jahren. Ich habe sie nicht selbst gesehen, andere aber wohl. Sie wissen von dem Massaker auf dem Feld?«
    Peter war verdutzt. » Waren Sie dabei?«
    » Ich war noch ein Junge, gerade sechzehn. Ich rede nicht darüber. Keiner von uns tut das. Ich habe meine Eltern und meine kleine Schwester verloren. Meine Mutter und mein Vater wurden sofort umgebracht, aber was aus der Kleinen geworden ist, habe ich nie erfahren. Ich nehme an, sie wurde befallen. Bis heute habe ich Alpträume davon. Sie war vier Jahre alt.«
    Apgar hatte Peter noch nie etwas so Privates erzählt; er sprach überhaupt nie über private Angelegenheiten.
    » Das tut mir leid, Colonel.«
    Der Schmerz, den diese Erinnerung weckte, und die Anstrengung, die nötig war, um darüber zu sprechen– beides stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. » Na ja«, sagte er nach einer Weile, » das ist lange her. Danke für die Anteilnahme, deshalb bin ich jedoch nicht hier, und ich lehne mich weit aus dem Fenster, wenn ich mit Ihnen darüber rede. Wenn Fleet es erfährt, degradiert er mich. Oder er steckt mich ins Gefängnis.«
    » Ich gebe Ihnen mein Wort, Sir.«
    Apgar schwieg kurz. » Dreiundzwanzig Seelen haben wir an diesem Tag

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