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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Visionen immer ein Teil von ihm gewesen, wie ein oft wiederholter Traum, an den er sich erst in letzter Zeit erinnerte, und er war zutiefst dankbar, sie gesehen zu haben und von ihnen Zeugnis zu geben in den letzten Sekunden seines Lebens.
    Komm zu mir, dachte er. Komm zu mir.
    Er rannte schnurgeradeaus. Er gab sich in die Hände Gottes. Er fühlte, wie Greer auf ihn zuflog, sah ihn aber nicht, er fühlte Wolgast in vollem Lauf hinter sich, der die Bombe an sich presste und mit seinem Körper auf das Herz des Schwarms zielte. Und im letzten Moment hörte Peter die Worte:
    Amy, lauf.
    Und: Vater …
    Und: Ich liebe dich.
    Und als Wolgast sich in ihre Mitte stürzte und den einen krallenbewehrten Daumen auf den Zünder drückte und als Amy desgleichen auf Peter herabstieß, um ihn wegzuschleudern und die ganze Wucht der Zerstörung statt seiner auf sich nahm, und als die Zwölf sich in ihrer Wut auf Wolgast stürzten– auf Wolgast den Wahrhaftigen, den Vater von Allem, den Einen, der Liebte–, da öffnete sich ein Loch im Raum, wo er gestanden hatte, die dunkle Nacht erstrahlte zum helllichten Tag, und der Himmel zerriss mit Donnern.

66
    In den Minuten, die folgten, war es, als sei das Stadion in zwei große Bereiche geteilt: Oben auf den Tribünen herrschte Chaos, während das Spielfeld eine Zone der Nachwehen war, der plötzlichen Stille. Ein Anfang und ein Ende, nebeneinander, aber getrennt. Bald würden die zwei miteinander verschmelzen, wenn die Wut des Aufstands in der Menge verraucht wäre, wenn die Leute die unglaubliche Tatsache ihrer Freiheit verstanden hätten und sich zerstreuten, wohin sie wollten, auch auf das Spielfeld. Einer nach dem anderen würden sie hinunterdriften, mit zögernden Schritten noch, während die Freiheit spürbar wurde. Aber zunächst blieben die Kombattanten auf dem Spielfeld sich selbst überlassen und betrachteten ein letztes Mal die Lebenden und die Verlorenen.
    Als Peter wieder zu sich kam, war es Alicia, der er als Erste in die Augen blickte. Sie war rußgeschwärzt, zerschlagen, blutig. Ihr Haar war verbrannt, und immer noch kräuselte sich Rauch auf ihrem Kopf. Peter, sagte sie, und sie beugte sich über ihn. Tränen flossen über ihre Wangen. Peter.
    Er versuchte zu sprechen. Seine Zunge war schwer in seinem Mund.– Amy?
    Alicia schüttelte leise weinend den Kopf.
    Greer hatte irgendwie überlebt. Die Explosion hatte ihn weit weggeschleudert. Er hätte tot sein müssen, aber als sie ihn fanden, lag er auf dem Rücken und starrte staunend zu den Sternen hinauf. Seine Kleider waren zerfetzt und versengt, aber ansonsten war er anscheinend unversehrt. Es war, als sei die Wucht der Druckwelle nicht durch ihn, sondern um ihn herum gegangen. Als habe eine unsichtbare Hand ihn beschützt. Eine ganze Weile sagte er nichts und rührte sich nicht. Dann hob er mit tastender Gebärde eine Hand auf die Brust und befühlte sie vorsichtig, bevor er mit den Fingerspitzen über Wangen, Stirn und Kinn strich.
    » Na, da soll mich doch…«, sagte er schließlich. » Wie finde ich denn das?«
    Auch Eustace würde am Leben bleiben. Zunächst hielten sie ihn für tot; sein Gesicht war blutüberströmt. Aber die Kugel war danebengegangen: Das Blut kam von da, wo sein linkes Ohr gewesen war. Das Ohr war fort, ausgerissen wie eine Pflanze, die man aus der Erde gezogen hatte, und an seiner Stelle war ein runzliges Loch. An die Explosion an sich hatte er keine Erinnerung, jedenfalls keine, die über ein paar vereinzelte Empfindungen hinausging: ein schädelspaltender Knall und eine Welle mit glutheißer Luft, etwas Nasses, das vom Himmel prasselte, der Geschmack von Rauch und Erde. Nach diesem Abend würde sein ohnehin von zahlreichen Narben gezeichnetes Gesicht nur diese eine zusätzliche Entstellung davontragen. Außerdem blieb ihm ein permanentes Pfeifen im Ohr, das nie mehr nachlassen sollte, sodass er fortan mit einer überlauten Stimme sprach und alle dachten, er sei wütend, auch wenn er es gar nicht war. Später, nach seiner Rückkehr nach Kerrville und dem Aufstieg in den Rang eines Colonels, würde er diesen Umstand dann weniger als Belastung empfinden, sondern eher als willkommene Verstärkung seiner Autorität, und er würde sich fragen, warum er nicht von allein darauf gekommen war.
    Nina würde ganz unverletzt davonkommen. Der Viral, dem Tifty zum Opfer gefallen war, hatte sie weit weggeschleudert, und die Explosion hatte sie nicht mehr erreicht. Sie war am oberen Spielfeldrand

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