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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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sicher.«
    Tränen der Wut liefen ihr über die Wangen. » Warum müssen Sie das tun? Warum?«
    Sie fing an, mit den Fäusten auf seine Brust zu trommeln. Grey zog sie an sich wie ein Boxer beim Clinch und schlang die Arme um sie. Es war ein Reflex; er wusste nicht, was er sonst tun sollte.
    » Sagen Sie das nicht«, keuchte sie und wand sich in seiner Umarmung, » sagen Sie das nicht.« Dann entwich alle Luft aus ihr, und sie sackte an ihm zusammen.
    Eine Zeitlang blieben sie in dieser unbeholfenen Umarmung stehen. Wie lange war es her, dass Grey von einem anderen Menschen berührt worden war? Er wusste es nicht. Er spürte das Baby zwischen ihnen, seine beharrliche Anwesenheit. Ein Kind, dachte er. Diese arme Frau bekommt ein Kind.
    Schließlich ließ er sie los und wich zurück. Die forsche, aufdringliche Person, die er im Home Depot kennengelernt hatte, war verschwunden. An ihrer Stelle stand ein zerbrechliches, verwundetes Geschöpf, ein Kind fast.
    » Darf ich Sie etwas fragen, Lawrence?« Ihre Stimme klang sehr dünn.
    Grey nickte.
    » Was haben Sie vorher gemacht?«
    Er brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass sie seinen Job meinte. » Ich hab sauber gemacht.« Seine Worte hatten den Unterton eines Geständnisses. » Ich war Hausmeister.«
    Lila dachte einen Moment lang darüber nach, und ihr Blick war auf den schmutzigen Boden gesenkt. » Tja, ich glaube, jetzt haben Sie mich erwischt«, sagte sie und rieb sich die Tränen aus den Augen. » Ich glaube, ich war offen gestanden überhaupt nichts.«
    Wieder wurde es still, und Grey fragte sich, was sie als Nächstes sagen würde. Wahrscheinlich hatte ihm in seinem ganzen Leben noch nie jemand so leidgetan.
    » Eins habe ich schon verloren, wissen Sie«, sagte Lila. » Ein kleines Mädchen.«
    Grey wartete.
    » Niemand war schuld. So etwas passiert einfach manchmal.«
    Es war merkwürdig: Als er so in der stillen Küche stand, hatte Grey das Gefühl, er habe es bereits von ihr gewusst. Wenn ihm nicht die Sache selbst bekannt gewesen war, dann doch ihre Natur. Alles an ihr ergab plötzlich Sinn, wie bei einem Bild, auf dem man aus der Nähe nichts erkannte: Man trat zwei Schritte zurück, und plötzlich wurde alles klar.
    » Tja«, sagte Lila und atmete tief aus, » ich glaube, ich gehe dann besser schlafen. Ich nehme an, Sie werden gleich morgen früh aufbrechen wollen, wenn ich Sie recht verstehe.«
    » Ich glaube, das ist das Beste.«
    Lila sah sich wehmütig um. » Es ist wirklich zu schade. Ich wollte doch das Kinderzimmer noch fertig bekommen.« Wieder schaute sie ihn an. » Nur eins noch: Sie dürfen mich nicht zwingen, daran zu denken.«
    Grey nickte.
    » Wir machen einfach… einen Ausflug aufs Land. Ist das klar?«
    » Okay.«
    Grey wartete, aber da kam nichts mehr. So rasch, wie sie das Thema angesprochen hatte, schob sie es wieder beiseite.
    Dann schien sich ihre Stimmung unverhofft zu bessern. Sie riss die Augen auf, und es sah aus, als wollte sie lachen.
    » Du meine Güte, wie hab ich mich denn aufgeführt? Es ist nicht zu fassen!« Ihre Hände huschten über ihr Gesicht und durch ihr Haar. » Ich muss ja furchtbar aussehen. Sehe ich furchtbar aus?«
    » Ich finde, Sie sehen gut aus«, stammelte Grey.
    » Sie sind zu Gast in meinem Haus, und ich drücke auf die Tränendrüse. So etwas treibt Brad in den Wahnsinn. Lila, sagt er immer, Herrgott noch mal, sei doch nicht dauernd so emotional.«
    Wieder ein neuer Name, dachte Grey. » Wer ist Brad?«
    Lila runzelte verwirrt die Stirn. » Mein Mann selbstverständlich.«
    » Ich dachte, David ist Ihr Mann.«
    » Ja, das ist er auch. David, meine ich.«
    » Aber Sie haben gesagt…«
    » Ich sage vieles, Lawrence. Das ist etwas, das Sie bei mir lernen müssen. Wahrscheinlich denken Sie, ich bin verrückt.«
    » Das tue ich überhaupt nicht«, log Grey.
    Sie lächelte ironisch. » Wir wissen beide, dass Sie das nur sagen, weil Sie nett sein wollen. Aber ich weiß die Geste zu schätzen.« Sie sah sich noch einmal um und seufzte tief. » Es war ein langer Tag, finden Sie nicht? Leider haben wir kein richtiges Gästezimmer, ich habe Ihnen deshalb die Couch zurechtgemacht. Wenn Sie nichts dagegen haben, lasse ich das Geschirr einfach bis morgen stehen und sage jetzt gute Nacht.«
    Grey hatte keine Ahnung, was er von alldem halten sollte. Es war, als sei sie kurz aus ihrer Trance aufgewacht, nur um gleich wieder darin zu versinken. In der Tür drehte sie sich um und sah ihn noch einmal an.
    » Eva«, sagte

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