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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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wir nicht hier in der Nähe sein.«
    Im selben Moment sah der Junge seine Chance. Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte den Aufgang hinauf.
    » Scheiße«, sagte Kittridge. » Ihr beide bleibt hier.«
    Humpelnd rannte er los, aber er war mit seinem humpelnden Bein nicht schnell genug. Als er den Jungen eingeholt hatte, stand er in einem der offenen Zugänge und starrte stumm auf das Spielfeld. Nur ein paar Sekunden, aber das war genug. Kittridge packte ihn von hinten und hob ihn an seine Brust. Der Junge leistete keinen Widerstand; er sank einfach gegen ihn und gab keinen Laut von sich. Herrgott, dachte Kittridge. Wieso hatte er den Bengel abhauen lassen?
    Als sie unten beim Bus angekommen waren, fing Tim an, ein Geräusch zu machen, das halb wie ein Schluckauf, halb wie ein Wimmern klang. Kittridge ließ ihn vor April auf den Boden gleiten.
    » Was fällt dir ein?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
    » Ich… es tut mir leid«, stammelte der Junge.
    » Du darfst nicht einfach so wegrennen. Das darfst du nicht.« Sie packte ihn bei den Oberarmen und schüttelte ihn, und dann zog sie ihn fest an sich. » Ich hab dir tausend Mal gesagt, du sollst bei mir bleiben.«
    Kittridge war zu Danny hinübergegangen, der immer noch mit den Händen in den Hosentaschen dastand und auf den Boden starrte.
    » Waren die beiden wirklich ganz allein?«, fragte er leise.
    » Consuela war bei ihnen«, sagte Danny. » Aber sie ist weggegangen.«
    » Wer ist Consuela?«
    Danny hob die schlaffen Schultern. » Sie wartet manchmal mit Tim an der Bushaltestelle.«
    Viel mehr gab es zu dem Thema nicht zu sagen. Vielleicht hatte Danny sie nicht alle, doch er hatte zwei hilflose Kinder gerettet, deren Eltern fast hundertprozentig sicher tot waren. Das war mehr, als Kittridge getan hatte.
    » Na, wie wär’s, mein Freund?«, sagte Kittridge. » Lust, deinen Bus da zu starten?«
    » Wo fahren wir hin?«
    » Ich hab an Nebraska gedacht.«

11
    Sie brachen eine Stunde nach Tagesanbruch auf. Grey nahm alles mit, was er in der Küche fand, solange es noch essbar aussah– ein paar Dosen Suppe, altbackene Cracker und eine Schachtel Wheaties–, und packte es in den Volvo. Er selbst hatte nicht mal eine eigene Zahnbürste, aber dann erschien Lila mit zwei Rollkoffern in der Diele.
    » Ich habe mir erlaubt, Ihnen ein paar Sachen einzupacken.«
    Lila war gekleidet, als wolle sie in Urlaub fahren: dunkle Leggings und ein frisch gestärktes, langschößiges Hemd. Auf ihren Schultern lag ein buntes Seidentuch. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und das Haar gebürstet, und sie trug sogar Ohrringe und ein bisschen Make-up. Als er sie sah, wurde Grey bewusst, wie schmutzig er war. Er hatte sich seit Tagen nicht mehr gewaschen, und wahrscheinlich roch er nicht besonders gut. Und seine Finger waren immer noch von Farbe verkrustet.
    » Vielleicht sollte ich mich ein bisschen frischmachen.«
    Lila beobachtete ihn aufmerksam und wartete darauf, dass er noch mehr sagte.
    » Wo wir doch, wissen Sie, einen Ausflug aufs Land machen.«
    Ihr Gesicht entspannte sich. » Ja, natürlich.«
    Lila schickte ihn in das Badezimmer oben an der Treppe, wo sie schon frische Kleider für ihn säuberlich zusammengefaltet auf den Klodeckel gelegt hatte. Eine nagelneue, noch eingepackte Zahnbürste und eine Tube Colgate lagen auf dem Waschtisch neben einem Krug Wasser. Grey schälte seinen Overall herunter, wusch sich Gesicht und Achseln, und dann putzte er sich vor dem breiten Spiegel die Zähne. Seit dem » Red Roof« hatte er sich nicht mehr im Spiegel gesehen, und er konnte immer noch nicht recht glauben, wie jung er aussah. Seine Haut war klar und straff, dichtes Haar wuchs auf seinem Kopf, und in seinen Augen funkelte ein juwelenartiger Glanz. Er schien auch stark abgenommen zu haben– was wenig verwunderlich war, weil er seit mindestens zwei Tagen nichts mehr gegessen hatte, doch das Ausmaß und die Art des Gewichtsverlusts waren in der Tat verblüffend. Er war nicht nur dünner; sein ganzer Körper schien sich neu geordnet zu haben. Er drehte sich zur Seite, behielt sein Spiegelbild im Blick und strich sich prüfend mit der Hand über den Bauch. Er war immer ein bisschen pummelig gewesen, aber jetzt erkannte er straffe Muskelkonturen. Der nächste Schritt lag nah: Er krümmte und streckte die Arme wie ein kleiner Junge, der sich im Spiegel bewunderte. Na, sieh mal an, dachte er. Ein richtiger Bizeps. Verdammt.
    Er zog die Sachen an, die Lila ihm hingelegt

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