Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Joliet. Die FEMA hatte irgendetwas vermasselt. Eine Batterie von Satellitentelefonen sollten sie auch bekommen, damit die Leute ihre Verwandten anrufen und ihnen sagen könnten, dass alles in Ordnung war. Wo die blieben, wusste Vera auch nicht. Sogar das lokale Mobilfunknetz war tot.
Kittridge fing an, Gesichter wiederzuerkennen: eine elegant gekleidete Frau, die eine Katze an der Leine führte, eine Gruppe von jungen Schwarzen, die alle die weißen Hemden und schwarzen Krawatten der Zeugen Jehovas trugen, ein Mädchen in einem Cheerleader-Outfit. Eine teilnahmslose Stimmung hatte sich im Camp breitgemacht; das aufgeschobene Drama der Nicht-Abreise versetzte alle in einen passiven Zustand. Es gab Gerüchte, die Wasserversorgung sei kontaminiert, und jetzt war das Lazarettzelt voll von Leuten, die über Magenkrämpfe, Muskelschmerzen und Fieber klagten. Ein paar hatten Radios, die noch funktionierten, aber sie hörten nur ein klingendes Geräusch, gefolgt von der inzwischen vertrauten Durchsage des Katastrophenrundfunks: Bleiben Sie in Ihren Häusern. Suchen Sie Deckung an Ort und Stelle. Befolgen Sie die Anordnungen des Militärs und der Polizei. Dann ging eine Minute lang eine Sirene, und die Durchsage wurde wiederholt.
Spätnachmittag, am vierten Tag: Kittridge saß zum x-ten Mal mit April, Pastor Don und Mrs. Bellamy beim Kartenspiel. Sie hatten sich von Bridge auf Poker verlegt und spielten um irrwitzige Fantasiesummen. April behauptete, noch nie gespielt zu haben, aber sie hatte Kittridge bereits um knapp fünftausend Dollar erleichtert. Die Wilkes waren verschwunden; seit Mittwoch hatte sie niemand mehr gesehen. Wohin sie auch gegangen sein mochten, sie hatten ihr Gepäck mitgenommen.
» Himmel, das ist ja ein Backofen hier«, sagte Joe Robinson. Er hatte sein Feldbett den ganzen Tag kaum verlassen.
» Spielen Sie eine Runde mit«, schlug Kittridge vor. » Das lenkt ab.«
» O Gott«, stöhnte der Mann. Er war schweißgebadet. » Ich kann mich ja kaum bewegen.«
Kittridge, der nur ein Paar Sechsen hatte, warf seine Karten auf den Tisch. Mit einem vollendeten Pokerface harkte April den nächsten Pot zu sich heran.
» Mir ist langweilig«, gab Tim bekannt.
April sortierte die Papierstreifen, die sie als Chips benutzten, zu säuberlichen Stapeln. » Du kannst mit mir spielen. Ich zeige dir, wie man setzt.«
» Ich möchte Mau-Mau spielen.«
» Glaub mir«, beruhigte sie ihren Bruder. » Das hier ist viel besser.«
Pastor Don teilte die Karten aus, als Vera im Zelteingang erschien. Sie sah Kittridge an. » Können wir uns draußen unterhalten?«
Er stand von der Pritsche auf und trat hinaus in die Hitze des späten Nachmittags. » Da ist was im Gange«, sagte Vera. » Die FEMA ist soeben darüber informiert worden, dass sämtliche Ziviltransporte östlich des Mississippi vorübergehend ausgesetzt worden sind.«
» Sind Sie sicher?«
» Ich habe gehört, wie sie im Büro des Camp-Leiters darüber gesprochen haben. Die Hälfte der FEMA -Leute ist schon verduftet.«
» Wer weiß sonst noch davon?«
» Soll das ein Witz sein? Ich erzähl’s nicht mal Ihnen.«
Also war es so weit: Man gab sie auf. » Wer ist der kommandierende Offizier?«
» Major Sowieso. Ich glaube, sie heißt Porcheki.«
Ein Glücksfall. » Wo ist sie jetzt?«
» Sie dürfte in der Baracke sein. Da war noch irgendein Colonel, aber der ist weg. Viele von denen sind inzwischen weg.«
» Ich rede mit ihr.«
Vera runzelte zweifelnd die Stirn. » Was können Sie denn tun?«
» Vielleicht gar nichts. Aber einen Versuch ist es wenigstens wert.«
Sie ging eilig davon, und Kittridge kehrte ins Zelt zurück. » Wo ist Delores?«
Wood blickte von seinen Karten auf. » Ich glaube, sie arbeitet in einem der Lazarettzelte. Das Rote Kreuz hat freiwillige Helfer gesucht.«
» Jemand soll sie holen.«
Als alle da waren, schilderte Kittridge ihnen die Lage. Wenn Porcheki ihnen Treibstoff für den Bus gäbe– und das war ein großes Wenn–, würden sie mit der Abfahrt mindestens bis zum nächsten Morgen warten müssen.
» Glauben Sie denn wirklich, sie wird uns helfen?«, fragte Pastor Don.
» Ich gebe zu, die Aussichten sind vage.«
» Ich finde, wir sollten den Sprit klauen und machen, dass wir wegkommen«, sagte Jamal. » Statt zu warten.«
» Kann sein, dass es nötig wird, aber ich bin aus zwei Gründen anderer Meinung. Erstens, wir haben es hier mit der Army zu tun. Da ist Klauen immer eine gute Methode, erschossen zu werden. Und
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