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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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kurzem Zögern nickte sie. » Er soll sich um drei Uhr hier melden. Die erste Tour geht um vier Uhr dreißig. Denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe. Wenn Sie Ihre Leute hier herausbringen wollen, setzen Sie sie in die Busse.«
    Was Porcheki als Nächstes tat, war die größte Überraschung für Kittridge. Sie beugte sich zur Seite, öffnete die unterste Schreibtischschublade und nahm zwei Pistolen heraus. Es waren Kittridges Glocks, die immer noch in ihren Holstern steckten.
    » Aber lassen Sie sie nicht sehen. Melden Sie sich draußen bei Corporal Danes, und er wird Sie zum Waffenlager bringen. Nehmen Sie so viel Munition mit, wie Sie brauchen.«
    Kittridge schob die Arme durch die Holsterriemen. Was die Frau mit alldem sagen wollte, war klar. Sie waren hinter den Linien; die Front war an ihnen vorbeigezogen.
    » Wie nah sind sie?«, fragte er.
    Porchekis Gesicht wurde finster. » Sie sind schon hier.«
    Lawrence Grey war noch nie so hungrig gewesen.
    Wie lange war er jetzt hier? Drei Tage? Vier? Die Zeit hatte jede Bedeutung verloren; nur die Besuche der Männer in den Raumanzügen unterbrachen den Lauf der Stunden. Sie kamen ohne Vorwarnung, Geistererscheinungen, die aus dem Narkosenebel auftauchten. Die Luftschleuse zischte, und dann waren sie da. Ein Nadelstich und der Plastikbeutel füllte sich langsam mit der dunkelroten Kostbarkeit. Etwas war in seinem Blut, etwas, das sie haben wollten. Aber anscheinend waren sie nie zufrieden; sie molken ihn wie eine Kuh. Was wollen Sie denn?, fragte er flehentlich. Warum tun Sie das mit mir? Wo ist Lila?
    Er war ausgehungert. Er war ein Wesen von purer Bedürftigkeit, ein mannsgroßes Loch im Raum, das gefüllt werden musste. Davon konnte ein Mensch verrückt werden. Vorausgesetzt, er war noch ein Mensch. Zero hatte ihn verwandelt, ihn zu einem der Seinen gemacht. In Greys Kopf waren Stimmen, murmelnde Stimmen wie von einer fernen Menge. Stunde um Stunde wurden sie lauter: Die Menge kam näher. Er zappelte unter den Gurten wie ein Fisch im Netz. Mit jedem gestohlenen Beutel Blut ließen seine Kräfte nach. Er fühlte, wie er von innen heraus alterte, ein steiler körperlicher Verfall in den Tiefen seiner Zellen. Bald würde er ganz verschwinden, sich im Nichts zerstreuen.
    Sie beobachteten ihn, der namens Guilder und der namens Nelson: Grey spürte, wie sie hinter der Linse der Überwachungskamera lauerten, fühlte die sondierenden Strahlen ihrer Blicke. Sie brauchten ihn, und sie hatten Angst vor ihm. Er war wie ein Geschenkpaket, aus dem vielleicht Schlangen herausstoßen würden, wenn man es öffnete. Er hatte keine Antworten für sie, und sie hatten es aufgegeben, ihm Fragen zu stellen. Im Schweigen lag die einzige Macht, die er noch hatte.
    Er dachte an Lila. Passierte mit ihr das Gleiche? Ging es dem Kind gut? Er hatte sie nur beschützen, hatte einmal in seinem ganzen elenden Leben etwas Gutes tun wollen. Es war eine Art Liebe. Wie bei Nora Chung, nur tausend Mal tiefer, eine Kraft, die nichts haben wollte, nichts nahm, die nur zu geben hatte. Es stimmte, sie war aus einem Grund in sein Leben gekommen: um ihm eine letzte Chance zu geben. Und er hatte sie im Stich gelassen.
    Er hörte das Zischen der Luftschleuse. Eine Gestalt kam herein. Einer der Männer im Schutzanzug stapfte schwerfällig auf ihn zu wie ein großer orangegelber Schneemann.
    » Mr. Grey, ich bin Dr. Suresh.«
    Grey schloss die Augen und wartete auf den Nadelstich. Na los, dachte er, nimm doch alles. Aber es passierte nichts. Grey schaute hin und sah, dass der Arzt eine Nadel aus dem Infusionsport zog. Mit sorgfältigen Bewegungen setzte er eine Schutzkappe auf die Nadel und warf sie klappernd in den Mülleimer. Sofort spürte Grey, wie der Nebel in seinem Kopf sich verzog.
    » Jetzt können wir reden. Wie fühlen Sie sich?«
    Was glauben Sie, wie ich mich fühle, wollte er sagen. Oder auch nur: Fuck you. » Wo ist Lila?«
    Der Arzt nahm eine kleine Stiftlampe aus einer Tasche an seinem Schutzanzug und beugte sich über Greys Gesicht. Durch die Sichtscheibe seines Helms kamen seine verschwommenen Gesichtszüge heran. Tiefbraune Haut, dunkel mit gelblichem Schimmer, kleine weiße Zähne. Er schwenkte den Lichtstrahl über Greys Augen hin und her.
    » Ist Ihnen das unangenehm? Das Licht?«
    Grey schüttelte den Kopf. Ein neues Geräusch drang in sein Bewusstsein– ein rhythmisches Pochen. Er hörte den Herzschlag des Mannes, das pulsierende Wispern des Blutes in seinen Adern. Ein Schwall von

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