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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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klickte eine Grafik an. Auf dem Bildschirm erschien ein Foto von Lawrence Grey. Besser gesagt, das Bild eines Mannes, der entfernte Ähnlichkeit mit Grey hatte. Das Gesicht auf dem Foto wirkte erheblich älter. Schlaffe Haut, Haar, das dünn auf dem Schädel lag, tiefliegende Augen, die dumpf, beinahe kuhhaft in die Kamera schauten.
    » Wann wurde das aufgenommen?«, fragte Guilder.
    » Vor siebzehn Monaten. Das hier sind Richards’ Akten.«
    Verdammt, dachte Guilder. Es war genau so, wie Lear gesagt hatte.
    » Wenn er das Virus hat, ist die Frage, warum es in seinem Körper anders wirkt. Es könnte eine Variante sein, die wir noch nicht gesehen haben, eine, die den Thymus aktiviert wie die anderen und dann irgendwie inaktiv wird. Es könnte auch etwas anderes sein, das speziell mit ihm zu tun hat.«
    Guilder runzelte die Stirn. » Zum Beispiel?«
    » Was weiß ich? Es liegt nahe, die Sache auf eine natürliche Immunität zurückzuführen, aber das kann man nie genau wissen. Es könnte etwas mit den Anti-Androgenen zu tun haben, die er genommen hat. Die Reinigungskräfte haben alle ziemlich hohe Dosen bekommen. Depo-Provera, Spironolakton, Prednison.«
    » Sie glauben, die Steroide haben das bewirkt?«
    Nelson zuckte zweifelnd die Achseln. » Sie könnten ein Faktor sein. Wir wissen, dass das Virus mit dem endokrinen System interagiert, genauso wie die Anti-Androgene.« Er schloss die Datei und drehte sich auf seinem Stuhl herum. » Hier ist noch was anderes. Ich hab ein paar Nachforschungen über die Frau angestellt. Viel ist da nicht zu finden, aber das Wenige ist mächtig interessant. Ich hab’s für Sie ausgedruckt.«
    Nelson überreichte ihm eine dicke Akte. Guilder schlug die erste Seite auf.
    » Sie ist Ärztin?«
    » Unfallchirurgin. Lesen Sie weiter.«
    Guilder las. Lila Beatrice Kyle, geboren am 29. September 1982 in Boston, Massachusetts. Beide Eltern Akademiker, der Vater Professor für Englisch an der Boston University, die Mutter Historikerin am Simmons College. Schulbesuch in Andover, dann Wellesley, gefolgt von vier Jahren Medizinstudium am Dartmouth Hitchcock Medical Center. Facharztausbildung und Unfallchirurgin am Denver General Hospital. Alles sehr eindrucksvoll, aber es sagte ihm nichts. Guilder blätterte weiter. Was war das? Die erste Seite eines Steuerformulars, vier Jahre alt.
    Lila Kyle war mit Brad Wolgast verheiratet.
    » Sie machen Witze.«
    Nelson grinste triumphierend. » Ich sagte doch, das wird Ihnen gefallen. Der Agent Wolgast. Sie hatten ein Kind, eine Tochter, die verstorben ist. Irgendein angeborener Herzfehler. Scheidung drei Jahre später. Vor vier Monaten hat sie wieder geheiratet, einen Arzt, der in derselben Klinik arbeitet, einen großen Kardiologen. Über den gibt’s auch ein paar Seiten, aber die sind nicht sonderlich ergiebig.«
    » Okay, sie ist also Ärztin. Gibt es Belege dafür, dass sie im Chalet war? Ist es möglich, dass sie zum Personal gehörte?«
    Nelson schüttelte den Kopf. » Nichts. Und ich bezweifle ernsthaft, dass Richards so etwas übersehen hätte. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund, dem Kerl nicht zu glauben. Vermutlich hat Grey die Frau genau so kennengelernt, wie er behauptet.«
    » Sie kann in dem Pick-up gewesen sein, auf der ersten Luftaufnahme, die wir bekommen haben. Dann hätten wir sie nicht gesehen.«
    » Stimmt. Aber ich glaube nicht, dass Grey lügt. Seine Geschichte ist einfach zu schräg, um erfunden zu sein. Und ich hab’s gecheckt: Ihre Adresse in Denver ist nur zwei Meilen vom Home Depot entfernt. Und die Route, auf der Grey unterwegs war, führt geradewegs an dem Baumarkt vorbei. Sie haben mit ihr gesprochen. Sie hält Grey anscheinend für eine Art Faktotum. Ich glaube, sie hat keine Ahnung, was hier im Gange ist. Die Frau ist komplett gaga.«
    » Ist das Ihre offizielle Diagnose?«
    Nelson zuckte die Achseln. » Laienhaft ausgedrückt. Ein Fachausdruck wäre ›traumatische Dissoziation‹. In den Akten findet sich kein Hinweis auf frühere psychische Erkrankungen, aber betrachten Sie doch ihre Situation. Sie ist schwanger, versteckt sich, flüchtet. Leute werden in Fetzen gerissen. Irgendwie schafft sie es, am Leben zu bleiben, wird allein zurückgelassen. Wie würden Sie sich dabei fühlen? Das Gehirn ist ein ziemlich wendiges Organ. Im Moment ist es dabei, die Realität für sie neu zu schreiben, und dabei leistet es verdammt gute Arbeit. Auf der Grundlage von Greys Akte würde ich sagen, sie hat tatsächlich eine Menge

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