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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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rasendem Tempo auf den Schwarm zu treffen, dass er sich geradewegs hindurchpflügen und eine Schneise der Vernichtung hinter sich lassen würde. Hinter ihm war ein Chor von Schreien ausgebrochen, und vor seiner Windschutzscheibe verschmolzen die Schwärme miteinander zu einer anschwellenden Legion aus Licht. Seine Fingerknöchel schimmerten weiß am Lenkrad.
    » Runter, Leute!«, schrie er. » Alles auf den Boden!«
    » Fuck, was soll das?«
    Nelson wich zurück und hielt sich die Hände schützend vor das Gesicht. Der Mann rechnete damit, dass er ihn ebenfalls erschießen würde, sah Guilder. Nicht, dass er grundsätzlich etwas dagegen gehabt hätte, aber im Augenblick hatte er andere Präferenzen.
    » Holen Sie die Frau«, sagte er und wedelte mit der Pistole.
    » Wir haben keine Zeit mehr! Herrgott, Sie brauchten ihn doch nicht zu erschießen!«
    Von oben kamen weitere Erschütterungen. Staub wirbelte in der Luft. » Lassen Sie mich das beurteilen. Bewegung!«
    Später würde Guilder Grund zu der Frage finden, wie er darauf gekommen war, die Frau zuerst zu holen– eine der schicksalhaften Entscheidungen seines Lebens. Er hätte sie auch zurücklassen können, und das Ergebnis wäre ein völlig anderes gewesen. Intuition vielleicht? Eine sentimentale Reaktion auf die Bindung, die er zwischen den beiden gespürt hatte– eine Bindung, die er sein Leben lang nicht gefunden hatte? Er stieß Nelson mit der Pistolenmündung vor sich her und ging durch das Labor zu Lilas Zellentür.
    » Aufmachen.«
    Lila Kyle war von den Explosionen geweckt worden und in sinnloses, panisches Schreien verfallen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war oder was da passierte. Sie war auf einem Bett festgeschnallt. Das Bett stand in einem Zimmer. Das Zimmer und alles, was darin war, bewegte sich. Es war, als sei sie aus einem Traum aufgewacht und habe sich in einem anderen verloren, der genauso unwirklich war; nur halb bewusst nahm sie Nelson und Guilder wahr, als die beiden hereinkamen. Die Männer hatten Streit. Sie hörte das Wort » Hubschrauber« und das Wort » Flucht«. Der Kleinere der beiden stieß ihr eine Nadel in den Arm. Lila konnte sich nicht wehren, doch als die Nadel ihre Haut durchbohrte, fuhr etwas wie ein Stromstoß durch ihr Herz, als sei sie an eine gigantische Batterie angeschlossen worden. Adrenalin, dachte sie. Sie haben mich sediert, und jetzt injizieren sie mir Adrenalin, um mich zu wecken. Der kleinere Mann zog sie auf die Beine. Unter ihrem Hemd kribbelte die Kälte auf ihrer nackten Haut. Konnte sie stehen? Konnte sie gehen? Nur raus hier mit ihr, sagte der zweite Mann.
    Mit einer ungeheuren Dringlichkeit, die sie nicht nachempfinden konnte, beförderte er sie halb schleifend, halb schleppend durch den großen Raum, eine Art Labor. Das Licht war aus; nur Notlampen leuchteten in den Ecken. In der Ferne hörte sie mehrmals hintereinander ein lautes Brüllen, gefolgt von einem langgezogenen Zittern wie bei einem Erdbeben. Glasgefäße gerieten in Bewegung und stießen klingelnd zusammen. Sie kamen zu einer schweren, von einem Stahlring umgebenen Tür, die aussah wie eine Luke in einem U-Boot. Der kleinere Mann schwenkte sie auf und trat hindurch. Der größere hielt sie jetzt fest, und er hatte eine Pistole in der Hand. Er hielt sie von hinten gepackt; mit einem Arm umschlang er ihre Taille, und mit der anderen Hand drückte er die Pistole auf ihren Bauch. Sie konnte allmählich wieder klarer denken. Was war hinter dieser Tür? Sie roch den Atem des Mannes dicht an ihrem Gesicht, warm und faulig, und sie spürte die Angst in seinem Griff, seinen Händen, seinem ganzen zitternden Körper. » Ich bin schwanger«, sagte Lila– oder sie wollte es sagen, weil sie dachte, dass sie dadurch etwas ändern könnte. Aber sie kam nicht dazu, denn hinter der Tür erhob sich ein weiblich klingendes Kreischen.
    Die Lufteinsätze über Iowa in der Nacht des 9. Juni waren nicht ohne Risiken. Das größte bestand darin, dass die Piloten sich weigern könnten, ihre Befehle auszuführen, und tatsächlich taten es auch einige: Sieben Crews lehnten es ab, ihre Bombenladung über zivilen Zielen abzuwerfen, und drei weitere schützten einen technischen Defekt vor, der sie daran gehindert habe. Das war eine Ausfallquote von sechs Prozent. (Drei der zehn Flugzeugbesatzungen kamen vor ein Kriegsgericht und wurden erschossen, fünf wurden gemaßregelt und durften weiter Dienst tun, und zwei verschwanden und wurden nicht mehr gesehen.) In den

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