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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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folgenden Wochen, als die Einsätze der GEG BRANDFACKEL ausgeweitet wurden, erinnerten sich Mitglieder der Einsatzgruppe beinahe wehmütig an diese Statistiken. Zu Anfang August saßen so viele Flieger entweder als Kriegsdienstverweigerer im Gefängnis oder waren mitsamt ihren Maschinen im Himmel über dem sterbenden Kontinent verschwunden, dass es immer schwieriger wurde, eine zusammenhängende Luftoffensive auf die Beine zu bringen, was den Sinn der ganzen Mission BRANDFACKEL in Frage stellte. Verschärft wurden diese Probleme durch Abspaltungsbewegungen in Texas und Kalifornien; beide Staaten riefen ihre Unabhängigkeit aus und beschlagnahmten das gesamte militärische Material des Bundes innerhalb ihrer Grenzen, sodass Washington sich faktisch herausgefordert sah, sie gewaltsam zur Räson zu bringen– sowohl politisch wie auch militärisch gesehen ein bemerkenswert raffinierter Schachzug der beiden jungen Republiken, denn inzwischen herrschte nur noch Chaos. Auf beiden Seiten kam es zu lautem Säbelrasseln, das seinen Höhepunkt in der Schlacht von Wichita Falls und der Schlacht von Fresno fand, bei denen zahllose Mitglieder der US -Streitkräfte zu Lande und in der Luft das Handtuch warfen, die Waffen niederlegten und um Asyl baten. Mitte Oktober des Jahres, das folgende Generationen als das Jahr Null bezeichneten, konnte man sagen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika als Land nicht mehr existierten.
    Aber in den frühen Morgenstunden des 9. Juni, unter dem mondlosen Himmel von Iowa, war GEG BRANDFACKEL noch immer schlagkräftig und genoss die volle– oder nahezu volle– Unterstützung sämtlicher beteiligter Einheiten. Die Voraussagen der Verantwortlichen bestätigten sich; große Massen von infizierten Personen hatten sich an klar umrissenen Brennpunkten in diesem Staat versammelt: in Mason City, Des Moines und Marshalltown und im FEMA -Flüchtlingscamp in Fort Powell. Um 02Uhr00 waren die ersten drei Zentren ausgeschaltet, und Fort Powell war das letzte Ziel. Eine Kombination von Bombern des Typs A-6 » Warthog« und F-13-Kampfbombern startete den Angriff von der Edwards Air Force Base aus. Gleichzeitig befand sich eine C-130-Transportmaschine aus Pensacola im Anflug, mit einem Sprengkörper namens GBU /43-B Massive Ordnance Air Blast, kurz MOAB , im Laderaum. Mit ihren 8500Kilo hochexplosivem H6-Sprengstoff war die MOAB die größte nicht-nukleare Bombe im Waffenarsenal der Vereinigten Staaten. Sie hinterließ einen Sprengkrater von 150Metern Durchmesser, ihre Druckwelle konnte einen Bereich von neun Häuserblocks dem Erdboden gleichmachen, und es würde dort tagelang brennen.
    Als Nelson sich herunterbeugte, um Greys Gurte zu lösen– Gurte, die nirgends mehr befestigt waren–, warf Grey sich nach vorn, packte ihn beim Bizeps und schlug die Zähne in seinen Hals. Der Biss ging tief: Er fühlte, wie seine Kiefer Nelsons Luftröhre zermalmten. Die beiden kippten rückwärts auf das Bett, Grey schüttelte den Mann, wie ein Wolf ein Kaninchen schüttelt, das er zwischen den Zähnen hält, und heißes Blut schoss ihm in den Mund. Jetzt lagen sie auf dem Boden, Nelson mit aufwärts gewandtem Gesicht, Grey über ihm. Nelsons Hände und Füße zuckten im Todeskampf, dann war es vorbei. Grey vergrub seine Zähne tiefer im weichen Fleisch.
    Er trank.
    War es für Zero so leicht gewesen, fragte er sich, so lustvoll? Pure Lebenskraft durchströmte ihn, ein mächtiges, durchdringendes Gefühl. Es war, als sei eine starke Maschine in ihm dröhnend zum Leben erwacht. Grey nahm einen letzten, in tiefster Seele befriedigenden Schluck Blut und hob das Gesicht. Er gestattete sich, den Leichnam auf dem Boden zwei Sekunden lang zu betrachten. Die Haut von Nelsons Gesicht spannte sich wie Klarsichtfolie um die Knochen– so wie bei der Frau auf dem Parkplatz des » Red Roof«–, und seine Augen quollen wie bei einem Reptil aus ihren Höhlen und starrten ins Herz der Ewigkeit. Grey suchte im Geiste nach einer Empfindung, die mit dem, was er hier tat, korrespondierte– nach Schuldgefühlen, Mitleid oder sogar Abscheu. Er war ein Mörder, ein Mann, der getötet hatte. Er hatte einen anderen Menschen umgebracht. Aber er fühlte nichts von alldem. Er hatte getan, was er tun musste.
    Die Tür seines Zimmers stand offen. Lila, dachte er, ich komme, um dich zu retten. Das ist bestimmt durch alles, was geschehen ist.
    Er ging hinaus.
    Was da aus der Tür kam, war ein Mann. Die Gestalt war von hinten beleuchtet, in Schatten

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