Die Zypressen von Cordoba
hinreichende
Entschädigung dafür, wie er sie behandelte? Trotz seiner lebenslangen
Erfahrung als geschickter Lenker von Menschen und Situationen stellte
Da'ud fest, daß er in einem Dilemma gefangen war. Sein natürliches
Gespür für Ehre und Anstand und sein Ruf als Mann von Würde erlaubten
es ihm nicht, Djamila mitsamt seiner Tochter aus dem Haus zu
vertreiben, nicht einmal unter dem Mäntelchen einer arrangierten Ehe
mit einem Mann, der bereit war, seine abgelegte Ehefrau zu heiraten.
Und doch, wenn er sie im Haus behielt, verdammte er sie zu einer kalten
und unfruchtbaren Zukunft. Vielleicht würde sich mit der Zeit eine
Lösung finden, seufzte er und verbannte das Problem aus seinen
Gedanken, als die Umrisse der Mauern, Kuppeln und Minarette von Córdoba
auftauchten, dunkler als die Dunkelheit. Er hatte nun nur noch Gedanken
für seine geliebte Sari. Sobald er innerhalb der Stadtmauer war,
entließ er seine königliche Garde und ritt mit wenigen Begleitern
weiter, die sich um die Sicherheit der Geldtruhen und seiner eigenen
Habseligkeiten kümmerten.
Mit dem beinahe unheimlichen Gespür der Liebenden schrak Sari
mitten in der Nacht auf und ahnte, daß Da'ud sich seinem Zuhause
näherte. So unwahrscheinlich es auch schien, da Reisende kaum je nachts
unterwegs waren, weil sie Räuber fürchteten, lauschte sie doch
angestrengt, bis sie schließlich in der Stille der Nachtstunde
Hufgetrappel vernahm. Sie stand sofort auf und lief, ihre Diener zu
wecken. Schlaftrunken tappten sie herum, um Lampen und Kerzen zu
suchen, die ihrem Herrn den Weg beleuchten sollten. Doch das Haus lag
immer noch in beinahe völliger Dunkelheit da, als Da'ud, gefolgt von
den Trägern mit seiner Habe, eintrat. Die Männer des Kalifen waren mit
der Umgebung nicht vertraut und prallten mit den Hausdienern beinahe
zusammen. Gepäckstücke wurden in alle Richtungen gezerrt. In der großen
Verwirrung rammte jemand eine Truhe in die Nische mit Ya'kubs altem
Almosenkästchen. Es schwankte eine Sekunde und fiel dann zu Boden. Das
alte Holz zersplitterte in tausend Stücke.
Da'ud gab den vielen Dienern und Trägern, die wie kopflose
Hühner umherrannten, einige rasche Befehle. Als die Ordnung endlich
wieder hergestellt war, entließ er die Männer, die ihm der Kalif zur
Verfügung gestellt hatte, und schickte seine Hausdiener wieder zu Bett.
Nachdem alle fort waren, steckte er ein kleines Stück Papier in die
Tasche, das ihm jemand in dem Aufruhr in die Hand gegeben hatte, und
gesellte sich zu Sari, die in ihrem Schlafzimmer auf ihn wartete.
Mit der gleichen starken Leidenschaft, die ihn durch die Nacht
getrieben hatte, liebte er sie nun, abwechselnd zart und stürmisch,
sanft und herrisch, aber immer, wie eh und je, mit feinem Gespür für
Rhythmus und Tempo ihrer Begierde. Die Morgenröte dämmerte bereits, als
sie beide aufstanden, um zusammen ihren geliebten Sohn Hai zu
betrachten. Er lag noch friedlich schlummernd da, die roten Locken
umgaben seinen Kopf wie ein kupferner Heiligenschein.
Wie an jedem Donnerstag und Freitagmorgen,
ob Da'ud anwesend war oder nicht, erschien Menahem frühzeitig im Hause
Ibn Yatom, um seinen regelmäßigen Pflichten nachzugehen. Kaum war er
ins Haus getreten, warf er einen schnellen Blick auf das
Almosenkästchen. Panik ergriff ihn. Die Nische war leer! Warum? Aber
natürlich, sagte er sich schnell. Djamila mußte das Kästchen
herausgenommen haben, um es abzustauben, wie sie es ihm gesagt hatte.
Es war ihr Kästchen. Warum sollte sie das nicht tun? Er durfte seiner
Unruhe – oder seiner Liebe – nicht erlauben, ihn um
den Verstand zu bringen …
Er betrat wie immer seine Kammer und begann in Erwartung der
Rückkehr seines Dienstherrn die unzähligen Dokumente, die seiner
Aufmerksamkeit harrten, in dringende, alltägliche und unwichtige zu
sortieren. Er hatte bereits drei Stapel rings um sich ordentlich
aufgeschichtet, als sich leise die Tür öffnete. Er hob den Kopf, die
Augen strahlend vor Erwartung. Ein wenn auch noch so flüchtiger Blick
auf Djamila, während sie das Almosenkästchen an seinen Platz
zurückstellte, war mehr, als er erhofft hatte. Doch rasch verblaßte das
Leuchten auf seinem Antlitz. Vor ihm stand Da'ud.
Auf diesen Anblick völlig unvorbereitet, fuhr Menahem auf,
verbeugte sich tief vor seinem Dienstherrn und murmelte den
traditionellen Segen für die Rückkehr von einer langen Reise. Während
die vertrauten Worte über seine Lippen kamen, fragte er sich, wann
Da'ud wohl
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