Die Zypressen von Cordoba
nehmen, um die Schulden einzutreiben. Offenbar waren Leon und
Navarra so sehr damit beschäftigt, das widerspenstige Kastilien in die
Schranken zu verweisen, daß sie auf keinen Fall auch noch ihren
muslimischen Oberherren provozieren wollten.
Sancho hatte Da'ud mit königlichen Ehren empfangen und ihm
voller Stolz die Nachkommen vorgestellt, die er seit seiner
Wunderheilung in Córdoba gezeugt hatte – und seit jener
stürmischen Nacht im Harem des Kalifen, wie er sich erinnerte und dabei
Da'ud mit einer vulgären Geste in die Rippen stieß, die der Höfling
widerwärtig fand. Ein einziger Blick genügte, um ihn zu versichern, daß
weder Sanchos Sohn und Erbe noch seine anderen Kinder auch nur eine
Spur vom petit mal ihres Vaters
zeigten. Trotzdem untersuchte er sie alle sorgfältig, um seinen Besuch
zu rechtfertigen, und verschrieb ihnen eine bis ins einzelne
festgelegte Kombination aus Diät, Bewegung und regelmäßigen Vollbädern.
»Vollbäder?« rief Sancho entsetzt aus. »Schön und gut im
milden Klima von Andalusien, aber wie könnt Ihr hier, bei unseren
strengen Wintern, so etwas Barbarisches verschreiben, wenn von den
schneebedeckten Pyrenäen die eisigen Winde gefegt kommen und vom Meer
her Stürme mit Schneeregen? Die armen Kinder werden schrecklich frieren
und an Unterkühlung sterben.«
»Sauberkeit ist ein sine qua non für gute
Gesundheit und Wachstum«, beharrte Da'ud. »Einmal schnell vor einem
lodernden Kaminfeuer in einer Wanne mit heißem Wasser abgeschrubbt zu
werden, das wird ihnen nicht schaden, ich verspreche es Euch.«
Sancho schmollte und war keineswegs überzeugt. Er hatte Da'ud
gedrängt, seinen Aufenthalt noch zu verlängern und mit ihm jeden Tag
ins gesprenkelte Sonnenlicht der Buchenwälder auszureiten, die der Arzt
so sehr liebte. Aber Da'ud hatte dieses Angebot abgelehnt. Das harte
Leben am christlichen Hof, die plumpen Manieren der Höflinge, all das
bereitete ihm großes Unbehagen. Sobald die wohlgefüllten Geldtruhen aus
Burgos und Pamplona angekommen waren, hatte er sich auf den Heimweg
gemacht, hatte sein Gefolge immer wieder zu größter Eile angetrieben.
Der vom Kalifen erzwungene Pomp und die Pracht dieser Reise behagten
ihm nicht, denn sie gingen gegen alle Prinzipien, die nun schon seit
über vierzig Jahren sein Verhalten bestimmten. Er hatte nur noch den
Wunsch, zur vertrauten Behaglichkeit und in die Zurückgezogenheit
seines Heims zurückzukehren, zu seinem bescheidenen Lebensstil, seiner
geliebten Sari und seinem vergötterten Sohn Hai, dem Dreh- und
Angelpunkt seines Lebens. War der Junge während seiner Abwesenheit wohl
merklich gewachsen? Er hatte ihn lange nicht mehr an der Zypresse
gemessen, so beschäftigt war er gewesen, warf er sich vor, während er
seinem Pferd auf der letzten Strecke des Rückwegs nach Córdoba die
Sporen gab. Wenn sie sich beeilten, würde er noch rechtzeitig ankommen,
um den nächsten Sabbat mit seinen Lieben zu feiern …
Am Donnerstagabend bei Einbruch der Dunkelheit, sie waren etwa
noch einen halben Tagesritt von Córdoba entfernt, befahl Da'ud seinem
Gefolge, in der kühlen Nacht weiter in Richtung Heimat zu reiten,
anstatt noch einmal in einer staubigen, übelriechenden Herberge
abzusteigen und erst am Mittag des folgenden Tages zu Hause
einzutreffen. Sogar ihn überraschte es, daß ihn seine ungeduldige
Sehnsucht nach Saris tröstender Gegenwart mit der Gewalt jugendlicher
Leidenschaft vorantrieb, aber so war es nun einmal. Mit den Jahren war
seine Liebe zu ihr nicht geringer geworden. Im Gegenteil, ihrer beider
Leben waren so eng miteinander verschlungen, daß diese Verbindung von
nichts und niemandem aufgelöst werden konnte. Nicht einmal die
Anwesenheit von Djamila und Amira unter dem gleichen Dach konnte ihrer
Beziehung etwas anhaben, aber das lag, wie er wohl wußte, lediglich
daran, daß er die beiden schlicht übersah. So hatte er sich das nicht
vorgestellt, als er Djamila zu seiner zweiten Frau nahm, denn niemals
hätte er erwartet, daß Sari ihm doch noch näherkommen würde, wie sie es
schließlich getan hatte. So hatte ihm Djamila, ohne es zu wissen, den
allergrößten Dienst seines Lebens erwiesen – wie er ihr, als
er sie heiratete. Sie waren also quitt.
Aber jetzt? War es richtig, sie so völlig zu übersehen, nun,
da er sie nicht mehr brauchte? War es richtig, ihr die Erfüllung als
Frau, vielleicht weitere Kinder, zu versagen? War ihre
gesellschaftliche Stellung als Mitglied seines Haushaltes
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