Die Zypressen von Cordoba
wollte es in ihrer Verzweiflung nur zu
gerne glauben, dann hatte sie nichts zu befürchten. Es gab für sie
keine andere Möglichkeit, das eine oder das andere herauszufinden, als
still dazusitzen und die Ereignisse abzuwarten …
Diese Ereignisse sollten mit der plötzlichen Gewalt eines
Sommergewitters aus heiterem Himmel über sie hereinbrechen.
Der Sabbat verlief friedlich. Im ganzen Haus
herrschte gedämpfte Freude über die Rückkehr des Hausherrn. Nachdem die
nachmittägliche Siesta vorüber war, trat Da'ud an Djamila heran, als
sie sich gerade fertig machte, um das Haus zu verlassen. Mit dem ihm
eigenen unwiderstehlichen höfischen Charme, den er nun schon viele
Jahre nicht mehr auf sie verströmt hatte, bat er sie, auf ihren
allwöchentlichen Besuch bei ihrem Vater zu verzichten. Es ging ihm
nicht gut? Sie konnte ihn auch morgen besuchen. Auch er würde sich
anschließen, falls das Fieber noch nicht nachgelassen hätte. Nach so
langer Trennung von seinen Lieben wollte er jedoch heute einen ruhigen
Abend im Kreise der ganzen Familie verbringen, sagte er mit leisem
Nachdruck, während er ihr sanft den Arm um die Taille legte und sie in
den Garten hinausführte.
Sobald man Hai sorgfältig an dem Stamm der Zypresse gemessen
hatte, die mit ihm heranwuchs, rannte der Junge fort, um sich zu Amira
zu gesellen und mit den Unterrichtsstunden fortzufahren, in denen die
beiden mit unermüdlichem Fleiß ihren Vögeln beizubringen versuchten,
einander zu antworten.
»Wie gut die Kinder miteinander auskommen«, sagte Sari
freundlich, als sie, Da'ud und Djamila sich neben den Wasserlauf
setzten und in der leichten Abendbrise ihre erfrischenden Scherbetts
nippten. Da'ud bestätigte dies mit einem kurzen Nicken und erging sich
dann in einer lyrischen Beschreibung der Schönheit des kühlen, klaren
Sonnenlichts, das in den Wäldern des Nordens durch das bebende Laub der
Buchen drang. Die Frauen hörten ihm wie gebannt zu, als plötzlich der
Zauber, in den sie seine Redekunst gebannt hatte, durch einen Aufruhr
an der Tür zur Straße gestört wurde. Wenig später kam ein Diener
hereingerannt, doch ehe er noch den Mund aufmachen konnte, wurde er
bereits von einer Frau zur Seite gedrängt, die sich auf keinen Fall von
einem Untergebenen abweisen lassen wollte.
Da'ud stellte sein Scherbett ab und betrachtete die Frau.
Seine anfängliche Verwunderung verwandelte sich in die Wärme, die ihm
die Gebote der Gastfreundschaft abverlangten.
»Meine liebe Witwe Tamara«, begann er, während er sich erhob
und auf sie zuschritt, die Hände zum Willkommensgruß ausgestreckt. »Was
verschafft uns die Ehre dieses unerwarteten Besuchs am Sabbat?«
»Es ist kein Besuch«, erklärte die Frau mit steinerner Miene
und wimmerte ein wenig, als sie ihre gebeugte und eingesunkene Gestalt
aufrichtete, um wenigstens eine Erinnerung an ihre frühere Größe und
Würde heraufzubeschwören. »Ich bin gekommen, um mich in aller Form zu
beschweren.«
»Es muß eine ernste Angelegenheit sein, wenn Ihr Eure
Sabbatruhe dafür gebrochen habt«, erwiderte Da'ud eisig. Er machte sich
gar nicht erst die Mühe, seine Verärgerung über diese unerhörte Störung
seines Privatlebens zu verbergen.
»Sie ist mehr als ernst. Es ist ein Skandal«, stellte die
Witwe mit hochmütiger Empörung fest. Sie drehte mit den Fingern der
einen Hand den riesigen Smaragdring, den sie an der anderen Hand trug,
hin und her, nahm dann die Haltung einer Frau an, die es gewohnt war,
daß man ihr wegen der Stellung ihres Gatten stets gehorchte, und
brachte ihren Protest vor.
»Heute morgen, während mein Mieter, Euer Sekretär Menahem, in
der Synagoge weilte, brach eine Bande wilder Gesellen mit Gewalt in
mein Haus ein. Die Kerle packten Menahems Habe und warfen sie aus dem
Fenster, mitten auf die Straße. Dann nahmen sie am Fenster seines
Zimmers Aufstellung und warteten dort, bis sie sahen, daß er nach Hause
zurückkehrte, worauf sie auf die Straße rannten und ihn überfielen, mit
Eisenstangen und Peitschen auf ihn einschlugen, bis er beinahe das
Bewußtsein verlor. Schließlich warfen sie ihn, verletzt und blutend,
auf seine armseligen Siebensachen, schütteten einen Eimer Wasser über
ihm aus, um ihn wieder zu Bewußtsein zu bringen, und brüllten ihm ins
Ohr: ›Schlimmeres erwartet dich, wenn du nicht bis zur Abenddämmerung
die Stadt verlassen hast.‹ Dann machten sie sich aus dem Staub,
offensichtlich höchst zufrieden mit dem, was sie angerichtet hatten.
Ich frage
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