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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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eingetroffen war? Er selbst hatte das Haus am vergangenen
Abend bei Einbruch der Dunkelheit verlassen, und bei Nacht waren
Reisende doch eigentlich niemals unterwegs, um sich nicht der Gefahr
eines Überfalls durch herumstreunende Räuberbanden auszusetzen. Aber
dieses Risiko hatte Da'ud ja außer acht lassen können, wurde Menahem
nun klar, da er im Geleitschutz der Garden des Kalifs sicher war.
Sollte er vielleicht bemerkt haben, daß das Almosenkästchen nicht an
seinem üblichen Platz stand? Hatte man den Dienern oder gar der armen
Djamila selbst peinliche Fragen gestellt? Er musterte Da'uds Gesicht,
um Anzeichen für eine Verstimmung festzustellen, fand es aber wie immer
undurchdringlich. Das Kästchen gehörte Djamila, sagte er sich immer
wieder, sie konnte damit machen, was sie wollte …
    »Hattet Ihr eine angenehme Reise, Abu Hai?« erkundigte er
sich, und trotz seiner tiefen Besorgnis klang seine Stimme ganz ruhig.
    »Erfolgreich war sie, ja, aber nicht angenehm«, antwortete
Da'ud kurz, während er hier und da Papiere von den verschiedenen
Stapeln nahm und überflog.
    »Dies sind die Angelegenheiten, die dringend Eurer
Aufmerksamkeit bedürfen«, sagte Menahem und reichte ihm den kleinsten
Stapel. »Die anderen können warten, bis Ihr Euch vollständig von den
Strapazen der Reise erholt habt.«
    »Wir kümmern uns gleich um alles«, befahl Da'ud und bat
Menahem mit einer Handbewegung in sein Arbeitszimmer. »Ist eine Antwort
vom König der Chasaren gekommen?«
    »Nein, noch nicht.«
    Die beiden Männer arbeiteten, bis die länger werdenden
Schatten im Garten anzeigten, daß der Vorabend des Sabbats anbrach.
Da'ud entließ seinen Sekretär gerade noch so rechtzeitig, daß sie ihr
rituelles Bad nehmen, frische Kleidung anziehen und zum Abendgebet in
die Synagoge eilen konnten. Hai war schon gewaschen und angezogen und
wartete ungeduldig darauf, daß auch sein Vater fertig wurde.
    Wie es Ya'kub gehalten hatte, so machte es auch Da'ud mit
seinem einzigen Sohn Hai: Hand in Hand, beide in festliche Gewänder
gekleidet, gingen Vater und Sohn in stiller Würde zum
Sabbatgottesdienst. Aber sie besuchten nicht mehr die Synagoge, in der
Ya'kub gebetet hatte. Seit Da'ud ein kleines, herrlich ausgeschmücktes
Gebetshaus auf einem Stück Land hatte errichten lassen, auf dem einmal
eines der Vorratshäuser Ya'kubs gestanden hatte, versammelte sich die
Familie hier zum Gebet. Einige hervorragende Gelehrte der Gemeinde
hatten sich ebenfalls angewöhnt, hierher zu kommen, aber Menahem wie
auch Djamilas Vater waren der alten Synagoge treu geblieben, wo sich
der Großteil der jüdischen Gemeinde von Córdoba, reiche Händler und
niedrige Handwerker, wohlhabende Juweliere und Gerber mit verfärbten
Händen, einfanden, um zu ihrem Gott zu beten.
    Warme Worte des Willkommens wurden Da'ud ibn Yatom zuteil,
während er auf den Ehrenplatz zuschritt, den man für ihn frei gehalten
hatte. Nach den Gebeten eilte Saul auf ihn zu, entschuldigte sich
wortreich, er habe von Da'uds Rückkehr nichts gewußt und daher auch
keinen Lobgesang im arabischen Stil zur Ehre seiner wohlbehaltenen
Wiederkehr verfassen können. Die beiden Männer wechselten einige kurze
Worte, ehe sich die Gesellschaft zerstreute, und jeder an den
heimischen Herd zurückkehrte.
    Djamila sah ihren Ehemann erst beim
traditionellen Familienmahl an jenem Abend wieder. Seit sie in seinem
Haushalt weilte, war dies wohl das erste Mal, daß ihr seine
unerschütterliche Miene Furcht einflößte. Im Morgengrauen, als sie
nachsehen wollte, ob Menahem ihr in Ya'kubs Kästchen eine Nachricht
hinterlassen hatte, erklärte ihr ein Diener, der den Boden fegte, das
Kästchen sei im Aufruhr der unerwarteten Wiederkehr Da'uds zerbrochen.
Was er ihr nicht sagen konnte und was sie ihn nicht zu fragen wagte,
war, ob ein Zettel darin gelegen hatte …
    Während die Mahlzeit voranschritt, schien Da'uds Verhalten ihr
und ihrer Tochter gegenüber eine Spur wärmer zu sein, als sie es
gewohnt waren, obwohl nur Djamila diesen Unterschied bemerken konnte:
hier ein halbes Lächeln für Amira, dort eine Andeutung, daß er ihre
Gegenwart wahrnahm. Obwohl sie sich hütete, diesen sparsamen,
herablassenden Gesten zuviel Bedeutung beizumessen, so trugen sie doch
einiges dazu bei, sie ein wenig zu beruhigen. Wenn Da'ud eine Nachricht
von Menahem gefunden hatte, als das Kästchen herunterfiel, dann war
ohnehin alles verloren. Wenn nicht, und das schien seine veränderte
Haltung anzudeuten, und sie

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