Die Zypressen von Cordoba
lassen, näherte sich Hai und errötete mit einer Mischung aus
Schüchternheit und Bewunderung für diesen rotschopfigen, blauäugigen
Halbgott, der sich mit der Anmut einer Antilope bewegte und der über
alles unter der Sonne Bescheid wußte. Scheu und doch voller Stolz zog
sie eine Seite mit hebräischer Kalligraphie hervor und hielt sie ihm
hin. Hai legte dann immer den Arm um ihre schmalen Mädchenschultern und
versprach ihr, er und sie würden eines Tages auch schöne Verse
miteinander schreiben. Dalithas Herz hüpfte vor Freude, und wenn Hai
sah, wie sich ihr Gesicht erhellte, wurde auch ihm ganz warm ums Herz.
Mit der Zeit war Ibn Zuhr mit Hais Fortschritten in der Kunst
des Aderlasses zufrieden und erlaubte ihm, diese ab und zu an seinem
Vater zu erproben, um ihn von den dickflüssigen Blutsäften zu befreien,
die ihm die schmerzhafte Entzündung seiner Gelenke verursachten. Dabei
bemerkten sowohl Da'ud, der Patient, als auch Sari, die als helfender
Engel immer in der Nähe war, daß ihr Sohn eine Begabung besaß, die ihn
unter allen anderen Ärzten, die sie kannten, hervorhob. Da'ud war sich
nicht sicher, ob nicht vielleicht väterlicher Stolz ihn blind machte,
und brachte das Thema bei seinem verehrten Lehrmeister zur Sprache, als
er ihm aus Anlaß des großen moslemischen Festes Id il-Fitr als
Vertreter der jüdischen Gemeinde einen Besuch abstattete.
»Ja«, bestätigte ihm der alte Lehrmeister, »dein Sohn ist mit
einer außergewöhnlichen Begabung gesegnet, deren Zeugen sowohl ich als
auch meine Studenten im Hospital bereits wurden. Es reicht aus, daß er
seinen mitleidigen Blick auf einem Menschen ruhen läßt, für dessen
Leiden wir kein Heilmittel kennen, es reicht, daß er eine schwache,
fiebernde Hand in die seine nimmt, und schon kehrt Leben und Hoffnung
in Augen zurück, die bereits fast erloschen waren. Wäre ich nicht ein
Mann der strengen Wissenschaft, ich wäre versucht zu glauben, daß ein
lebenspendender Strom von seinem Auge und seiner Hand in die Menschen
überfließt. Schon allein sein Talent für die Diagnose und sein
umfassendes Gedächtnis für Heilverfahren und Medikamente läßt ihn als
einen der brillantesten Studenten herausragen, den ich je hatte. Wenn
er sich trotz der ungeheuer vielen menschlichen Leiden, die zu heilen
auch er außerstande sein wird, diese seltene und kostbare Gabe bewahrt,
diese Fähigkeit, seinen Patienten ein Gefühl des Wohlbefindens und
Vertrauens einzuflößen, ihnen die Prüfung des nahenden Todes zu
erleichtern, dann wird aus ihm ein Arzt von ganz besonderem Rang.«
»Euer Lob ist überwältigend.«
»Ich spreche nur die Wahrheit. Ich bin zu alt, um mich mit
Schmeicheleien abzugeben, wie das die Herren bei Hofe für nötig
erachten.«
»Ich danke Euch, Meister. Möge Gott Euch noch viele Jahre
gesund am Leben erhalten.«
An jenem Abend, als Hai auf Da'uds schmerzenden Knie mit
leichter Hand den Umschlag auflegte, den er eigens für ihn zubereitet
hatte, wußte sein Vater, daß die Linderung, die er verspürte, von dem
tiefen Mitgefühl, das von seinem Sohn zu ihm strömte, ebenso ausging
wie von den Heilkräutern. In Hais Augen leuchtete eine Wärme, die von
seinem Verständnis für jegliche Form menschlichen Leidens zeugte und
von dem leidenschaftlichen Wunsch, es zu lindern.
26
D iese Bande von
Räubern und Schurken!«
entfuhr es Da'ud bei seiner Rückkehr aus dem Palast, während er unter
Schmerzen in den Garten humpelte. »Da legen sie mir arabische Fassungen
von Abhandlungen großer griechischer Astronomen vor und behaupten, sie
seien von Hunayn übersetzt. Haben sie vergessen, mit wem sie es zu tun
haben? Oder haben sie eine so geringe Meinung von meiner Gelehrsamkeit,
daß sie denken, sie könnten mich an der Nase herumführen? Ein geübtes
Auge erkennt auf den ersten Blick die Mängel einer Übersetzung. Und für
diese plumpen Fälschungen verlangen sie auch noch einen horrenden
Preis! Sie verdienen alle Strafen, die die Kadis über sie verhängen!
Wenn man ihnen erst die Hände abgehackt hat, dann stehlen sie
wenigstens nicht mehr!
Barmherziger Gott, wie müde ich es bin, ständig auf der Hut
vor allen möglichen Formen des Betrugs und der Lüge zu sein, vor
Verschwörungen und Unwahrheiten und Verleumdungen jeglicher Art. Wie
ich die Wesire verachte, deren Eingeweide von Mißtrauen und endlosen
Spekulationen über die Verschwörungen zerfressen sind, die ich ihrer
Meinung nach mit dem Kalifen aushecke. Es würde mir unendliche
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