Die Zypressen von Cordoba
der
Pflanzen unterstützen wollen. Weißt du noch, mit welch
selbstvergessenem Interesse du die Pflanzen betrachtet hast, die dir
der Einsiedler damals hinterließ? Das gehört doch alles auch zu der
umfassenden Bildung, die du für ihn vorsiehst, oder nicht?«
Da'ud antwortete mit einem übellaunigen Knurren. »Ich brauche
keine Einmischung von dieser Seite.«
»Sie meinen es nur gut.«
»Mag schon sein.«
Hai errötete ob der Mißachtung seines Vaters für die Menschen,
deren Warmherzigkeit und Schlichtheit er liebte, sagte aber aus Respekt
kein Wort. Sari, die längst gelernt hatte, daß jegliche Diskussion
überflüssig war, wenn ihr Mann in einer solchen Stimmung war, schwieg
ebenfalls. Am folgenden Sabbat jedoch versuchte Da'ud alles wieder
gutzumachen.
»Ich freue mich über dein Interesse an den verschiedenen
Pflanzen«, sagte er zu Hai, als sie sich zum Abendessen niederließen.
»Bei Gelegenheit, ehe meine Gelenke noch mehr schmerzen, müssen wir
einmal zusammen zur Hütte des Einsiedlers reiten – wenn
überhaupt noch etwas von ihr übrig ist –, und ich zeige dir,
wo ich die Pflänzchen gefunden habe, die deine Mutter neulich erwähnte.
Leider sind sie damals in dem harten Winter eingegangen, als du vier
oder fünf Jahre alt warst. Unter den unzähligen Arten, die sich um die
Hütte des Alten herum an unser Klima gewöhnten, war auch eine besondere
Art von Aloe, deren Namen ich nicht kannte und von der er mir
berichtete, daß sie überall im Orient für ihre Wunderkräfte berühmt
war. Es waren beinahe seine letzten Worte. Er hat das Geheimnis ihrer
Wunderwirkung mit ins Grab genommen.«
»Was ist aus den Pflanzen geworden, die er züchtete?«
»Als ich endlich alle Zutaten des Großen Theriak ermittelt
hatte und Zeit gehabt hätte, mir um sie Gedanken zu machen, hatten
Banausen sie bereits alle ausgerissen. Seltsamerweise hatte auch mein
Lehrer Ibn Zuhr Gerüchte von einer Heilpflanze gehört, die in den
Ländern des Ostens gegen bösartige Krankheiten angewandt wird. Aber
alle Nachforschungen, die wir im Laufe der Jahre anstellten, waren
ergebnislos.«
»Meinst du, es könnte die gleiche sein wie die, von der der
Einsiedler sprach?«
»Ich weiß es nicht, aber es wäre wunderbar, wenn du die Suche
fortsetzen würdest. Vielleicht hast du mehr Erfolg als ich. Du darfst
jedoch nicht zulassen, daß die Liebe zur Botanik dich von deinen
medizinischen Studien ablenkt, die nun bald beginnen. Wenn du dich in
den wissenschaftlichen Fächern als ebenso brillanter Schüler erweist
wie in deinen jüdischen, klassischen und sprachlichen Studien, dann bin
ich ziemlich sicher, daß Ibn Zuhr, obwohl er inzwischen ein alter Mann
ist, doch zustimmen und dich in den erlauchten Kreis derer aufnehmen
wird, die er heute noch zu unterrichten geruht. Du hast mehr Glück als
ich seinerzeit, denn heute haben wir ein Hospital, das diesen Namen
verdient und in dem du die Krankheiten und ihre Symptome und die
Wirkungen unserer Behandlungen studieren kannst. Du hast inzwischen die
religiöse Volljährigkeit erreicht, und ich rate dir: Nimm die Weisheit
dieses Lehrers in tiefen Zügen in dich auf und nutze jeden Tag, den
Gott ihm noch schenkt.«
Saris Augen strahlten vor Freude, als sie dieses Gespräch
zwischen Vater und Sohn hörte. Möge Da'ud noch erleben, wie die
ehrgeizigen Pläne, die er für Hai schmiedete, sich verwirklichten.
Angefüllt mit Lernen und unersättlicher
Neugier, verging Hais Jugend und frühes Mannesalter wie im Flug. Sein
Vater wurde nun allmählich alt und zunehmend streitsüchtig, da ihn die
Bürde seiner Aufgaben drückte. Das wachsende Mißtrauen gegen Intrigen
im Palast verschlechterte seine Laune noch mehr, raubte ihm die Kraft,
die er gebraucht hätte, um seine Gelenkschmerzen zu ertragen. Sari war
die Geduld in Person, und auch Hai war voller Mitleid und Zuneigung für
seinen Vater, wenn es ihm die Studien einmal erlaubten, mit ihm
zusammen zu sein. Bei diesen Gelegenheiten versuchte Da'ud seinen Sohn
in die Kunst des Überlebens am intriganten Hof von Córdoba einzuweihen,
denn er bezweifelte keinen Augenblick, daß Hai in seine Fußstapfen
treten würde. Der aber fand immer einen Vorwand, um derlei Gesprächen
aus dem Weg zu gehen – einen Aufsatz über Fieberkrankheiten,
den er noch einmal durchlesen mußte, anatomische Zeichnungen, die es
anzufertigen galt, Listen von wärmenden und kühlenden Arzneimitteln,
die auswendig zu lernen waren. Nie versuchte Da'ud ihn
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