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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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bedeutete uns, dies seien die Pflanzen, nach denen
man uns ausgesandt hatte, die wir mit den Wurzeln ausgraben und nach
Córdoba zurückbringen sollten. Er drängte uns, schnell zu arbeiten,
bevor der Mond aufging, weil wir zum Schiff zurückeilen und wieder in
See stechen mußten, ehe man uns entdeckt hatte. Ich stellte Wachen
rings um den Bereich auf und suchte dann in der Dunkelheit nach
Ralambo, um ihm dabei zu helfen, die Büsche aus dem Boden zu reißen.
Doch er war nirgends mehr zu finden. Ich suchte das gesamte Dickicht
der Büsche nach ihm ab, die wie mit Klauen nach mir griffen, ebenso das
ganze offene Gelände jenseits, um eine Gestalt zu finden, die sich
durch die Dunkelheit bewegte. Aber er war nirgends zu sehen. Erst dann
begriff ich, in welch großer Gefahr wir schwebten. Sie war so
schrecklich und furchterregend, daß Ralambo um sein Leben gerannt war,
trotz der Reichtümer, die ihn hier bei seiner Rückkehr erwartet hätten.
In der kurzen Zeit, die uns noch blieb, stellte es sich als unmöglich
heraus, die Pflanzen mit der Wurzel auszugraben, denn sie waren weit
und tief in der harten und trockenen Erde verwurzelt. Also befahl ich
meinen Männern, mit ihren Schwertern von den kleineren Büscheln so
viele wie möglich abzuschlagen. Ich muß zugeben, daß wir die Beine in
die Hand nahmen, ehe der Mond aufging, und uns mit Hilfe der
Sterne – und einer glücklichen Intuition – zum Schiff
zurückschlichen. Da Ralambo nicht mehr bei uns war, um sich auf der
Überfahrt um die Pflanzen zu kümmern, die wir hatten abschlagen können,
verdorrten viele auf der Reise. Ich habe Euch nur noch diese hier zu
überbringen«, sagte der Kapitän schließlich und zog drei ziemlich
dicke, ausgetrocknete Exemplare aus seinem Seesack, an denen wenige
schlaffe, bräunlich-grüne Blätter gerade noch am Leben waren.
    »Einen Eimer Wasser!« rief Hai sofort Yahya, dem alten Diener
seines Vaters, zu. »Schnell, und ein scharfes Messer!«
    Mit geübter Hand schnitt er das Holz bis zu einer Stelle
zurück, an der er Saft vermutete, sah, daß im Inneren noch ein wenig
Feuchtigkeit war, und tauchte die Pflanzen ins Wasser. Erst dann wandte
er sich wieder dem Kapitän zu.
    »Ich danke Euch von ganzem Herzen für Eure Bemühungen, auch
wenn Ralambo Euch im Stich gelassen hat. Die Belohnung, die ihm zuteil
werden sollte, fällt nun Euch und Euren Männern zu. Ihr mögt sie
aufteilen, wie Ihr wollt.«
    »Unter den wenigen, die diese Reise überlebt haben«, murmelte
der Kapitän traurig. »Auf der Heimreise ist an Bord die Ruhr
ausgebrochen.«
    »Ich bin zutiefst betrübt, daß Menschenleben zu beklagen sind,
aber ich hoffe, daß ich irgendwann beweisen kann, daß Eure Opfer nicht
vergebens waren.«
    Die Ankunft der Pflanzen und des Extraktes
ließen nur kurz einen Funken von Interesse in Saris matten, blauen
Augen aufleuchten. Für sie war alles zu spät gekommen. All das gehörte
nun Hai, der sein eigenes Leben führen mußte. Ihr hatte die Welt nichts
mehr zu bieten. Bei Da'ud hatte sie Sicherheit, Ruhe, Zufriedenheit und
mit der Zeit auch die Leidenschaft einer großen und dauerhaften Liebe
gefunden. Sie hatte nie gehofft, daß ihr ein solches Glück noch zuteil
werden könnte. Wenn Da'ud nicht gewesen wäre, sie hätte niemals
erfahren, daß es so etwas überhaupt gab, viel weniger noch, daß man es
erleben konnte. Was mehr hätte sie sich ersehnen können? Sie hatte
ihren Mann in den letzten schmerzlichen Jahren mit der gleichen Geduld
unterstützt, die er ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte, als er ihr
half, sich allmählich von den Schrecken ihrer Kindheit zu befreien. In
der Zwischenzeit hatten sie sich geliebt und alles andere aus ihrer
eigenen Welt ausgeschlossen. Nachdem diese Welt nun nicht mehr
existierte, hatte sie nichts mehr zu wünschen als einen ruhigen
Lebensabend und ein friedliches Ende, vielleicht noch durch Enkelkinder
versüßt, die ihr Hai eines Tages bescheren würde. Genau wie Da'ud es
gemacht hätte, würde sie diese Kinder an der Zypresse ihres Vaters
messen, die groß und herrlich mitten auf ihrer Marmorinsel wuchs.
    Teilnahmslos beobachtete sie, wie ihr Sohn mit größter
Intensität, die von seiner unterdrückten Wut angetrieben wurde, die
seltsamen grünen Pflanzen hegte und pflegte, die aus Afrika gekommen
waren. Morgens und abends zog er sie aus dem Eimer und untersuchte an
den Enden, ob sich schon neue Wurzeln bildeten. Dann tastete er die
Blätter ab und konstatierte mit jedem Tag,

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