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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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ehe er noch zu Ende gesprochen hatte, war der Einsiedler
schon wieder in eine halbe Ohnmacht zurückgesunken. Da'ud wandte kaum
die Augen von ihm, stand auf und suchte in der Hütte nach
Lebensmitteln. Essig fand er beinahe sofort, eine große Flasche, sauber
und ordentlich verkorkt, sorgsam auf einem hoch angebrachten Regal
verwahrt. Es war klar, daß der alte Mann sie hier für Zeiten der
Krankheit aufbewahrt hatte. Wenn er nur Honig finden könnte, gäbe es
vielleicht eine Chance … Er fühlte noch einmal den Puls des
alten Mannes. Der schlug inzwischen ein wenig stärker. Beruhigt ging er
wieder nach draußen und machte sich auf die Suche nach einem
Bienenkorb, den er auch wie erwartet unweit des Brunnens fand. Er
schützte sich mit dem Unterarm gegen die ausschwärmenden Bienen und
hebelte mit einem langen, spitzen Stock ein Stück Wabe ab, trug sie in
die Hütte und entnahm ihr so viel Honig, daß er ihn mit dem Essig zu
einer Sauerhoniglösung aufkochen konnte. Dann kehrte er zu seinem
Patienten zurück, betete und flehte, flehte und betete …
    Die Dämmerung war bereits nah, als der Einsiedler erneut
aufwachte, sichtbar erfrischt. Wieder ließ ihn Da'ud trinken, und gab
ihm dann, als er neu belebt war, ein wenig von dem Sauerhonig.
    »Wer bist du?« fragte die schwache Stimme.
    »Ich bin Da'ud, ein Arzt aus Córdoba. Ich bin gekommen, mich
um Euch zu kümmern«, wiederholte Da'ud geduldig.
    »Ich brauche keinen Arzt, der sich um mich kümmert, viel
weniger noch einen jungen Quacksalber, dem nichts anderes einfällt, als
mich zur Ader zu lassen und mir das bißchen Leben, das noch in mir ist,
zu rauben.«
    »Ich werde Euch nicht zur Ader lassen«, beruhigte ihn Da'ud.
»Ich lasse niemals Patienten zur Ader, die für diese Behandlung zu
schwach sind. Hier, trinkt noch ein wenig Oxymel und ruht Euch aus bis
zum Morgen.«
    Die ganze Nacht wachte Da'ud bei dem gebrechlichen alten Mann,
hielt ihm jedesmal, wenn er sich rührte, den Becher mit Wasser an die
Lippen, fiel selbst in unruhigen Schlummer, wenn der Alte schlief, und
betete mit aller Kraft, daß der Mann bis zum Morgen überleben würde.
Beim ersten Dämmern des Tages stand er auf, zündete ein Feuer an und
kochte aus einer Handvoll Gerstenkörner, die er in einer Ecke der Hütte
unter einer umgedrehten Schüssel gefunden hatte, eine Grütze. Sobald
sich der Einsiedler regte, flößte er ihm eine weitere Dosis Oxymel ein
und fütterte ihn dann löffelweise mit der dünnen Grütze. Das Gesicht
des Alten war nun nicht mehr grau. Es war zwar immer noch blaß, hatte
aber eine viel gesündere Farbe.
    »Warum machst du dir die Mühe? Was nützt es, einen alten Mann
wieder zum Leben zu erwecken, für den die Zeit zum Sterben gekommen
ist?«
    »Leben verlängern, näher kann ein Mensch nicht an den
göttlichen Schöpfungsakt gelangen.«
    »Anmaßung! Die Natur nimmt ihren Lauf nach Gottes Willen. Du
hast kein Recht, ihr ins Handwerk zu pfuschen. Aber du wußtest nicht,
daß ich krank war, als du kamst. Was hat dich hierhergebracht?«
    »Ich bin auf der Suche nach Eurem ungeheuren Wissen über das
Leben der Pflanzen hierhergekommen.«
    Diese Worte schienen den alten Mann wunderbar zu beleben.
»Sieh sie dir an, bitte«, sagte er und zeigte auf die Reihe junger
Sprossen auf dem Brett unter dem Fenster. »Es ist eine Pflanzenart aus
dem Orient, die ich hier anzusiedeln versuche. Haben Sie Wurzeln
geschlagen? Brauchen sie Wasser? Ich habe sie vernachlässigt, seit mich
das Fieber ereilt hat.«
    »Sie leben und gedeihen gut«, versicherte Da'ud ihm. »Schon
bald werdet Ihr wieder auf den Beinen sein und könnt sie selbst
pflegen.«
    »Dafür bin ich dir dankbar«, seufzte der alte Mann. »Was
willst du also wissen?«
    »Ich suche eine Pflanze, die von den Griechen Vatermörder genannt wird. Das wenige, das ich aus den alten Manuskripten
zu erfahren vermochte, scheint darauf hinzudeuten, daß die Früchte
nicht fallen, ehe nicht neue Sprossen gewachsen sind. Aber vielleicht
habe ich auch die Abschnitte falsch gedeutet.«
    Ein Leuchten der Bewunderung flackerte im leblosen Blick des
Alten auf. »Nein, junger Meister, das hast du nicht. Die Art, die du
beschrieben hast, ist ein Baum mit einer glatten roten Rinde,
dunkelgrünen, glänzenden Blättern und Blüten, die weiß oder rosa sind.
Sie blühen im Herbst und mischen sich mit den scharlachroten Beeren des
Baumes, die erst im zweiten Jahr nach der Blüte heranreifen. Daher sind
sie noch am Baum, wenn die alten

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