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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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Nachdem er die griechischen und arabischen Texte erschöpfend
befragt hatte, mußten nun andere Wissensquellen gefunden werden, andere
Einsiedler, hier oder anderswo …
    Da'ud verließ das Haus, ehe sich sonst jemand gerührt hatte,
und machte sich auf den Weg zum Marktplatz. Dort trafen Menschen aus
Ost und West, aus Nord und Süd zusammen, um zu kaufen und zu verkaufen,
um Waren, Güter, Sklaven – und Informationen – zu
tauschen und zu handeln. Zu dieser frühen Morgenstunde waren die
Straßen noch menschenleer. Die kahlen Wände, die sie säumten, schlossen
die Wohnhäuser gegen die Außenwelt ab und schützten diejenigen, die
drinnen wohnten, vor neugierigen Blicken. Es war wie in einer
Geisterstadt. Aber als sich Da'ud dem Marktplatz näherte, wurde er in
die stille Geschäftigkeit hineingezogen, in die Vorbereitung auf das
emsige Leben des Marktes, in jene ungesehenen Stunden, in denen eine
Stadt zu erwachen beginnt. Hoch aufgeschossene berberische Fellachen,
deren Schritt so würdevoll war wie der ihrer Kamele, trugen auf dem
Kopf Körbe voller glänzender schwarzer Oliven und dunkelblauer Trauben,
Orangen, Aprikosen und runder gelber Melonen. Bäcker klopften Teig
flach für die Pitas des Tages, formten ihn rund für Brötchen.
Konditoren buken aus Blätterteig und stark duftendem Ziegenkäse goldene
Wunder, die schon bald von den Straßenverkäufern in der ganzen Stadt
wohlfeil gehalten würden. Nach und nach wurden die hölzernen Läden vor
den schattigen Nischen entfernt, wo die Kunsthandwerker ihre Ware
ausstellten und ihren Berufen nachgingen: die Töpfer und
Kupferschläger, die Lederarbeiter und Seidenweber wünschten einander
einen einträglichen Tag.
    Starker Moschusduft stieg Da'ud in die Nase, als er auf den
offenen Platz trat, und aus der gleichen Richtung drangen wütende
Flüche an sein Ohr. Ein Parfümverkäufer hatte, während er seinen Stand
aufbaute, einen Flakon der kostbaren Flüssigkeit verschüttet. Da'ud
näherte sich ihm mit leisen Schritten und kaufte ihm für einen
großzügigen Betrag das wenige ab, das noch auf dem Boden der kleinen
Flasche übrig war. Entzückt und begierig darauf, einem so großzügigen
Kunden alles recht zu machen, goß der Händler das Parfüm sorgfältig in
ein kleines Bronzefläschchen um und träufelte dann ein wenig über
Da'uds bewegliche, schmale Finger, ehe er das Behältnis verkorkte.
Während er das machte, fragte Da'ud ihn wie beiläufig: »Wann erwartet
Ihr wieder einmal radanitische Kaufleute bei uns?«
    »Radaniten? Ihr meint gewiß die jüdischen Kaufleute, die
vieler Sprachen mächtig sind und von Frankreich durch Spanien nach
Ägypten reisen, um von dort nach Arabien und in den Orient zu segeln?«
    »Genau die.«
    »Es ziehen heutzutage nicht mehr viele von ihnen auf den
Handelsstraßen nach Osten. Die Venezianer haben sie beinahe ganz
verdrängt. Ich erinnere mich noch, daß mein Vater von ihnen Moschus und
Kampfer kaufte, wenn sie aus Indien und China zurückkehrten. Und bei
uns erwarben sie Seide und Leder, um es den orientalischen Fürsten
anzudienen. Die wenigen, die noch übrig sind, erscheinen ab und zu,
meistens mit Sklaven aus Prag. Die Slawen sind sehr gefragt, die Männer
als Soldaten und Arbeiter im Dienste des Kalifen, die Frauen für die
Harems der Reichen – besonders die Rothaarigen«, fügte er mit
einem anzüglichen Zwinkern hinzu. »Die Omaijaden sind ganz versessen
auf sie. Sucht Ihr ein hübsches junges Ding für Euch selbst?«
    »Nein, keineswegs. Ich interessiere mich für die Kaufleute,
nicht für ihre Ware.«
    »Dann fragt den Unterhändler da drüben, wann der nächste
Sklavenverkauf angesetzt ist. Vielleicht findet Ihr bei den Händlern
einen Radaniten.«
    Da'ud dankte dem Mann und überquerte den Marktplatz. Der
Unterhändler saß auf einem niedrigen Lederhocker und schaute eine Liste
von Pferde- und Sklavenauktionen durch, die er in Kürze ankündigen
würde. Ja, erwiderte er auf Da'uds Anfrage, in Kürze solle ein
Sklavenverkauf beginnen. Um sich die Wartezeit zu vertreiben,
schlenderte Da'ud zu einem Obststand und wählte sich dort eine Aprikose
aus, die flaumig und weich, gerade reif zum Essen war. Mit sinnlichem
Vergnügen ließ er den Finger über die weichen Rundungen gleiten,
öffnete die Frucht an der Mulde, die ihn an die reifen Brüste einer
Frau erinnerte … Sorgfältig entfernte er den Stein, nachdem er
die Aprikose genau untersucht hatte, ob sich auch kein Insekt in ihr
verbarg, hieb dann die

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