Die Zypressen von Cordoba
Málaga.
Mit einer Fassung, die allen Menschen ihrer Umgebung große
Bewunderung abverlangte, wartete Leonora die Woche ab, bis ihr Vater
sie erreichte. Aber in dem Augenblick, als er ins Haus trat, brachen
all ihre aufgestauten Gefühle aus ihr heraus. »Du mußt mir helfen, ihn
zu befreien, du mußt!« kreischte sie hysterisch und warf sich ihrem
Vater an den Hals. »Irgend jemand im Palast hat gegen ihn intrigiert.
Wer es auch ist, wir müssen einen Gegenplan schmieden, der ihn
ruiniert.«
»Beruhige dich, mein Kind. Beruhige dich«, flüsterte Joseph
ibn Aukal und streichelte seiner Tochter über den Kopf, ehe er sich aus
ihrer heftigen Umklammerung löste. »Nun, du hast mir noch nicht einmal
Zeit gelassen, dein wunderschönes Zuhause zu bewundern«, bemerkte er
entspannt und anscheinend völlig ungerührt, während er seine Blicke
schweifen ließ.
»Später, Vater, später!«
»Es besteht kein Grund zur Panik, mein kleines Mädchen. Ich
habe die Angelegenheit gründlich bedacht und meine eigenen Schlüsse
gezogen. Meiner Meinung nach liegt der Ursprung des Gerüchts überhaupt
nicht im Palast.«
»Unsinn!« rief Leonora und tat seine Worte ungeduldig ab.
»Weder Amram noch ich selbst haben je irgendeiner Seele hier ein
Sterbenswörtchen über Amrams Tätigkeit gesagt. Alle halten ihn für
einen Händler, der viel in Geschäften unterwegs ist.«
»Das mag sein«, antwortete Joseph, weigerte sich aber, darauf
einzugehen. »Und jetzt, wärst du so freundlich und würdest für deinen
Vater, der von der Reise ermüdet ist, ein Bad vorbereiten lassen?«
Erfrischt streckte sich Joseph im kühlen Schatten des
geräumigen Salons auf einem Diwan aus und nippte an seinem Wein,
während seine Tochter ihm gegenüber nervös am Rand eines Stapels von
Kissen saß. Unermüdlich knabberte sie Süßigkeiten, die man ihnen
vorgesetzt hatte, und ihre eisblauen Augen blickten ihn durchdringend
an. Schließlich brach er sein Schweigen.
»Wo bewahrt dein Mann seine Dokumente auf?«
»Ich nehme an, in der Zedernholzdose in seinem Arbeitszimmer.«
»Ich muß sie durchsehen. Wenn mein Verdacht über den
Ausgangspunkt dieser Verschwörung gegen ihn stimmt, dann muß ich ein
bestimmtes Papier finden, um meinen Standpunkt unwiderlegbar zu
beweisen.«
»Nur Amram hat einen Schlüssel dafür.«
»Dann breche ich das Schloß auf«, sagte Joseph ganz ruhig.
»Aber Vater …«
»Komm, komm, mein Kind, wir haben jetzt keine Zeit mehr für
Nettigkeiten. Dein Mann sitzt im Gefängnis, ist ein Gefangener in den
Händen von Menschen, denen an einem Menschenleben nicht besonders viel
liegt. In einem solchen Fall sind alle Mittel heilig. Bringe mir sofort
das Kästchen.«
Der Juweliermeister war nicht unvorbereitet gekommen. Aus der
robusten Reisetasche, die neben ihm am Boden stand, zog er ein Stück
feinen Kupferdraht hervor, und mit der Geschicklichkeit seines
Berufsstandes öffnete er rasch das Schloß. Ruhig und methodisch ging er
die Dokumente durch, die das Kästchen enthielt, und legte sie dann zur
Seite. Leonora stand ganz nah bei ihm, und ihr Herz sank, als er ein
nutzloses Dokument nach dem anderen weglegte.
»Es ist nicht dabei«, sagte er schließlich, schlug das
Kästchen zu und zeigte damit erste Anzeichen schlechter Laune. »Wo
könnte er es sonst noch aufbewahrt haben?«
»Irgendwo in seinem Zimmer vielleicht?«
»Führe mich dorthin.«
Zusammen gingen sie durch den schattigen Säulengang in Amrams
Arbeitszimmer, wo überall Papiere lagen. Zunächst mit großer Sorgfalt,
dann mit wachsender Erregung rollte Joseph Pergamente auf, blätterte
Bücher durch, suchte in Papierstapeln, auf denen unzählige
Gedichtentwürfe geschrieben standen, bis er endlich fand, was er
gesucht hatte, mit einem Seidenband an ein herrliches Liebesgedicht
gebunden. Er ließ die Papiere in die Innentasche seines Gewandes
gleiten, nahm seine Tochter beim Arm und führte sie in den Salon
zurück. »Morgen früh werde ich im Palast vorstellig werden. Mit ein
bißchen Glück ist Amram am Abend schon wieder zu Hause.«
Abu Ali Hamid ibn Abi geleitete Joseph ibn
Aukal voller vorsichtiger Erwartung in seine schäbige Gewölbekammer.
Obwohl er selbst höchst erpicht war, die Unschuld des besten
Steuereintreibers von Granada zu beweisen, befürchtete er doch, daß
Joseph kaum einen konkreten Beweis zur Unterstützung Amrams beibringen
würde. Geduldig schaute er zu, wie sich Joseph mit erstaunlicher
Gelassenheit hinunterbeugte, um die feinen
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