Die Zypressen von Cordoba
Augenblick zögern,
ihn zu empfehlen. Die Geschicklichkeit des Chirurgen muß daher bei
deinen Erwägungen keine Rolle spielen.«
»Was ist Eure Meinung?«
»Der allgemein gute Gesundheitszustand deines Vaters, die Lage
der Geschwulst und die Fähigkeiten des Chirurgen scheinen mir
anzuzeigen, daß die Vorteile einer Operation die Risiken übertreffen.
Falls die Geschwulst sich noch nicht ausgebreitet hat, könnte eine
sauber durchgeführte Entfernung des Gewebes das Leben deines Vaters
verlängern und ihm erlauben, in Frieden zu sterben. Aber die letzte
Entscheidung liegt bei dir. Wenn du dich für einen chirurgischen
Eingriff entscheidest, so werde ich meine bescheidenen klinischen
Einrichtungen gerne dem Abu'l Kasim zur Verfügung stellen. Es ist
bedauerlich, daß Córdoba noch kein Hospital und keine Lehrstätte
besitzt, die sich mit denen von Bagdad vergleichen läßt und die den
hervorragenden Gelehrten auf dem Gebiet der Medizin angemessen wäre,
die sich innerhalb seiner Stadtmauern aufhalten. Jetzt, da der Palast
in der Medina Azahara beinahe fertiggestellt ist, könnten wir
vielleicht den Gedanken vorbringen, daß man dergleichen in dem
weitläufigen Gelände einrichten könnte, das den Palast umgeben soll.
Die Münze und ein Teil der Palastverwaltung wurde ja bereits dorthin
verlegt, wie mir zu Ohren gekommen ist.«
»Das stimmt, desgleichen auch die Werkstätten für Gold- und
Elfenbeinarbeiten. Aber was ein Hospital betrifft, so bezweifle ich,
daß Abd ar-Rahman in seinem Alter noch ein so ungeheures Unterfangen in
Angriff nehmen würde. Sein Sohn andererseits würde derlei begrüßen.
Jedes Vorhaben, das dazu angetan wäre, den Ruf Córdobas als Zentrum der
Wissenschaft und Kultur zu mehren, beflügelt seine Phantasie. Ich werde
die Angelegenheit bei der nächsten Gelegenheit vor ihm zur Sprache
bringen. Wenn mein Vater geheilt würde, so bin ich sicher, daß er einen
erheblichen finanziellen Beitrag zu einer solch ehrwürdigen Einrichtung
leisten würde.«
»Wir reden später noch einmal darüber. Geh nun und kümmere
dich um ihn. Du weißt, daß du mich jederzeit, Tag und Nacht, zu Hilfe
rufen kannst.«
14
A m Vorabend der Operation an seinem Vater
fand Da'ud keine Ruhe. Nach einem letzten Besuch bei den Eltern, um die
Ängste seines Vaters zu beschwichtigen und Solas Widerstandsfähigkeit
zu stärken, ging er rastlos stundenlang am Ufer des Guadalquivir
entlang, konnte seine quälenden Selbstzweifel nicht unterdrücken.
Niemand wußte besser als er, welche fatalen Dinge selbst den Händen der
besten Chirurgen passieren konnten … Zweimal war sein eigenes
Leben in Gefahr gewesen, aber er hatte selbst das Risiko dafür
getragen. Noch nie hatte er das Leben eines anderen aufs Spiel gesetzt.
All seine vielfältigen Sorgen erschienen ihm nun lächerlich im
Vergleich zu der furchterregenden Verantwortung, die er auf sich
genommen hatte, als er die Entscheidung über das Leben seines Vaters
getroffen hatte. Es war, als spielte er Gott, ohne jedoch die Allmacht
Gottes zu besitzen. War es wirklich Anmaßung, wie es der alte
Einsiedler behauptet hatte? War es Anmaßung, auch nur den Versuch zu
unternehmen, den natürlichen Verlauf eines Menschenlebens zu ändern?
Oder war es die freie und vollständige Entfaltung aller Fähigkeiten und
Kräfte, die ihm und einigen wenigen seiner Kollegen verliehen worden
waren? Hätte Gott nicht gewünscht, daß die Menschen mit ihren Talenten
wuchern, warum hatte er sie ihnen dann geschenkt? Es mußte rechtens
sein, daß man Lösungen für menschliche Probleme suchte, Heilung für die
Leiden der Menschheit, genauso wie es rechtens war, daß die Hungrigen
Nahrung suchten. Und da die Altvorderen lehrten, daß ein jegliches in
der Natur auch seinen Widerpart hatte, mußte man Krankheiten auch
heilen können. Die Suche nach Heilmethoden mußte weitergehen. Tod? Der
Tod war so sehr Teil der Natur wie das Leben, sein Widersacher, auf den
Tod folgte der regelmäßige Kreislauf der Wiedergeburt. Neues Leben,
nicht die Verlängerung des alten … Aber wie alle Gelehrten,
die ihm vorangegangen waren, blieb er so unwissend über den Ursprung
des Lebens wie er machtlos war, die Endgültigkeit des Todes zu
besiegen. Gott war und blieb der letzte Richter, diese Wahrheit mußte
er anerkennen und annehmen, ein stilles Gebet im Herzen. Neues Leben,
sinnierte er, als er sich auf den Heimweg machte. Das war die einzige
Antwort auf die Fragen der Menschheit, die einzige Art,
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