Die Zypressen von Cordoba
über den
Körper seines Vaters gleiten. Er schien dünner zu sein, als er ihn in
Erinnerung hatte, obwohl das natürlich auch an seinem fortgeschrittenen
Alter liegen konnte. Aber dann, als seine empfindlichen Finger Ya'kubs
Knie berührten, bemerkte er am linken eine unnatürliche Beule. Als er
das Gewand seines Vaters hob, sah er an der Innenseite des Knies eine
Schwellung von der Größe einer kleinen Orange. Er drückte fester und
merkte, daß die Beule hart war.
»Wie lange ist dein Knie schon so geschwollen?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe es erst vor wenigen Wochen
bemerkt, als ich mich an einem Ballen Seide gestoßen habe.«
»Tut es weh?«
»Überhaupt nicht.«
»Gut«, meinte Da'ud leichthin. »Ich sage Mutter, daß sie dir
mit Gerstengrütze und Milchsuppe und ihrem fein gewürzten Huhn wieder
etwas zu Kräften verhelfen soll, und dann versuchen wir, die Schwellung
abzubauen, indem wir getrocknete Feigen und Knochenmark in deine
Mahlzeiten mischen.«
»Das ist ungeheuer viel zu essen für einen so dünnen Menschen
wie mich«, lächelte Ya'kub. »Mein Appetit ist nie übermäßig gewesen,
und er hat sich auch mit zunehmendem Alter nicht vergrößert.«
»Iß stets kleine Portionen, den ganzen Tag über, du wirst es
nicht einmal bemerken. Ruh dich jetzt aus. Ich komme morgen früh wieder
und sehe nach dir.«
»Nach der Synagoge«, mahnte ihn Ya'kub. »Du mußt die
Familientradition aufrechterhalten. In meiner Abwesenheit ist es deine
Pflicht, meinen Platz einzunehmen.«
»Wie du wünschst, Vater«, erwiderte Da'ud, und es schnürte ihm
den Hals zu, als er seinen Vater auf die Stirn küßte und sich zurückzog.
Seine Mutter erwartete ihn mit fragendem, ängstlichem Blick,
als er auf den Innenhof trat. »Es ist schlimm, nicht wahr? Ich weiß es,
ich kann es spüren«, sagte sie und rang verzweifelt die Hände.
»Es ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Ich werde Ibn Zuhr zu
Rate ziehen, welche Behandlung am besten geeignet ist. Inzwischen gib
ihm viel Huhn, Milchsuppe mit Zimt und Gerstengrütze, um ihn zu Kräften
zu bekommen, dann Honig, getrocknete Feigen und Mark, um die Geschwulst
aufzuweichen.«
»Geschwulst?« Das Wort hallte wie ein Todesurteil durch die
reglose Nachtluft. »Wo?«
»Am Knie.«
»Er hat nichts davon gesagt.«
»Weil es nicht schmerzhaft war.«
»Was ist zu tun, mein Sohn. Was können wir nur tun?« flehte
und stöhnte Sola, und ihre Augen standen voller Tränen, als Sari zu ihr
trat und ihr tröstend den Arm um die Schulter legte.
»Alles Menschenmögliche. Dessen kannst du sicher sein. Du mußt
jetzt deine Tränen trocknen. Er darf deine Angst nicht spüren. Dein
Lächeln, deine warme und tröstliche Gegenwart sind ein grundwichtiges
Element in seiner Behandlung. Ich verlasse mich darauf. Laß mich nicht
im Stich.«
»Soll ich heute hier schlafen?« bot Sari an.
»Ich glaube nicht«, antwortete Da'ud anstelle seiner Mutter.
»Er schwebt nicht in unmittelbarer Gefahr. Wir dürfen keine düstere
Atmosphäre schaffen. Ich komme nach dem Morgengebet wieder. Gute Nacht,
meine liebe Mutter, und verzweifle nicht. So Gott will, heilen wir ihn.«
Weder Da'ud noch Sari verspürten in jener
Nacht das geringste Bedürfnis zu schlafen. Lange saßen sie draußen auf
dem Innenhof und grübelten. Obwohl jeder wußte, was im Kopf des anderen
vorging, hielt doch keiner die Zeit für gekommen, um darüber zu reden.
Es war schon lange nach Mitternacht, als die beiden schließlich
aufstanden, sich nach einer traurigen flüchtigen Umarmung trennten und
jeder in sein Schlafzimmer ging.
Nach wenigen Stunden unruhigen Schlafes stand Da'ud auf und
verließ beim ersten Morgenschimmer leise das Haus. Wie er es während
seiner Studentenzeit beinahe jeden Morgen gemacht hatte, eilte er mit
schnellen Schritten durch die menschenleeren Straßen zum nördlichen
Teil der Stadt, vorbei am Haupteingang des alten Palastbezirks, hinter
dem die Familie Ibn Zuhr wohnte. Das faltige Gesicht des vertrauten
alten Dieners leuchtete auf, als er die große Holztür öffnete, nachdem
Da'ud laut und dringlich angeklopft hatte.
»Abu Sa'id wird entzückt sein, mit Euch im Garten zu
frühstücken wie in alten Zeiten. Ihr kennt den Weg«, sagte der Diener
und eilte auf krummen Beinen voraus, um seinem Herrn Da'uds Besuch
anzukündigen.
»Welch ein großes Vergnügen, dich hier zu sehen!« rief Abu
Sa'id Hatim ibn Zuhr aus, als er in den ummauerten Garten hinter seinem
Haus trat, um den ehemaligen Schüler zu
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