Die Zypressen von Cordoba
geblieben
sind.«
Ya'kub schien erleichtert.
Seine eiserne Regel der würdigen Diskretion und des
bescheidenen Auftretens in den Korridoren der Macht hatte sich also
auch in das Bewußtsein seines Sohnes und Erben unauslöschlich
eingegraben. Es war vielleicht das kostbarste Erbe, das er ihm mitgeben
konnte.
Aber dies war nicht der einzige Grund, warum Da'uds Erscheinen
im Palast von kurzer Dauer sein würde. Da Sanchos Vertrauen
lebenswichtig für ihn war, mußte er sich um jeden Preis hüten, in die
zweifelhafte Rolle eines Vermittlers gedrängt zu werden, falls es
jemand wagen sollte, es dem jungen Mann gegenüber an Respekt mangeln zu
lassen. In einem solchen Fall würde unweigerlich er, der Bote, der
Verlierer sein, da beide Parteien nun ihn bezichtigen würden, der
anderen zu sehr verpflichtet zu sein. Außerdem, so überlegte er kühl,
sollte dieses Fest als Triumph des Abd ar-Rahman erscheinen, und nicht
als sein eigener. Nichts sollte ablenken von dieser großartigen
Demonstration der Vorherrschaft des Kalifats von Córdoba über die
gesamte iberische Halbinsel, der absoluten Abhängigkeit der
christlichen Fürsten von seinem Herrscher. Und was Sanchos Einführung
in den Harem des Palastes betraf, diese Ehre konnte ihm ebenfalls nur
der Kalif persönlich erweisen …
Erst am nächsten Tag, im Abendgottesdienst des Sabbats,
erlaubte sich Da'ud, seinen Erfolg offen zu genießen. Er hatte sich
damit einverstanden erklärt, daß zu dem traditionellen Segenswunsch für
den Kalifen und sein Haus auch sein Name hinzugefügt würde, und hatte
erlaubt, daß ein eigens zu seinen Ehren komponiertes Lied gesungen
würde. Den Juden von Córdoba sicherten Da'uds große Errungenschaften
und die hohe Stellung, die man ihm deswegen bei Hof zugewiesen hatte,
ein ruhiges Leben unter der Herrschaft des Kalifen. Ein Loblied war ein
Lied zum Lobe Gottes, der ihnen diesen Schutzschild gegen mögliche
Gefahren geschenkt hatte. Gegen Ende des Gottesdienstes versammelten
sich die ehrwürdigen Mitglieder der Gemeinde um Da'ud, ließen
Segenswünsche auf ihn und seine Lieben herabregnen. Die einfacheren
Leute waren es zufrieden, sein Gewand zu berühren. Als Vorsteher der
Gemeinde hatte sich Ya'kub die Mühe gemacht, dem Gottesdienst
beizuwohnen, aber als die beiden dunkel gewandeten Gestalten zusammen
nach Hause gingen, wie sie das über Jahre hinweg an jedem anderen
Sabbatabend auch gemacht hatten, spürte Da'ud eine Schwäche in den
Schritten seines Vaters.
»Was ist dir, Vater?«
»Ich bin in letzter Zeit ungeheuer müde.«
»Ich will dich gleich untersuchen, sobald wir zu Hause sind.«
Aber Ya'kub legte seinem Sohn, Einhalt gebietend, die Hand auf
den Arm.
»Nicht heute abend. Deine Mutter und Sari haben sich große
Mühe gegeben und ein Festmahl zubereitet, um deinen Triumph zu feiern.
Die ganze Familie wird versammelt sein, wenn wir nach Hause kommen,
auch deine Schwestern und ihre Ehemänner und alle unsere Enkelkinder.
Laß uns diesen Abend nicht mit düsteren Gedanken überschatten. Morgen
ist noch Zeit genug, mich gründlich zu untersuchen.«
Vater und Sohn, Meister in der Kunst der Verstellung, nahmen
mit aller gebotenen Freude an dem Familientreffen teil. Erst gegen Ende
des köstlichen, wunderbar angerichteten Mahles zeigte sich die
Müdigkeit auf Ya'kubs eingefallenem, blassen Gesicht. Ohne ein Wort
schlich er sich aus dem Zimmer, so leise und diskret, daß man sein
Verschwinden kaum bemerkte, daß die Fröhlichkeit der Familie nicht
gestört wurde. Nur Da'ud begriff es – und zitterte innerlich.
Noch nie hatte er sich so sehr danach gesehnt, daß seine Nichten und
Neffen endlich zu quengeln und zu streiten begannen, so daß seine
Schwestern unter vielen Bekundungen des Bedauerns aufstehen und sich
verabschieden würden. Endlich machten sie sich auf den Weg. Als man
ihnen sagte, ihr Vater ruhe sich bereits von den Anstrengungen des
Tages aus, baten sie Da'ud, ihm ihre Küsse zu überbringen, und
verließen mit ihren Sprößlingen das Haus. Kaum war der letzte Besuch
gegangen, da eilte Da'ud ans Bett seines Vaters. Liebevoll nahm er
Ya'kubs Hand in die seine, fühlte ihm unmerklich den Puls, strich ihm
dann zart über Nacken und Stirn, um die Temperatur zu messen.
»Wie lange leidest du schon an dieser Müdigkeit?«
»Längere Zeit.«
»Hast du noch andere ungewöhnliche Symptome bemerkt?«
»Überhaupt keine. Ich hätte dir sonst davon berichtet.«
Während sie sprachen, ließ Da'ud sanft die Hände
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