Die Zypressen von Cordoba
glitzernden Mosaiken. Und ich träume von
einer Bibliothek, die zehnmal größer ist als die heutige, mit
Exemplaren jedes Werkes, das seit der Antike verfaßt wurde. Wir werden
eine ganze Schule von Übersetzern um uns versammeln, die uns alles
Wissen, alle Gedanken und Vorstellungen zugänglich machen, die die
Menschheit seit der frühesten Geschichte gekannt hat.«
»Und wir müssen ein Hospital und eine medizinische Schule
einrichten, die in der Qualität ihrer Behandlung und ihrer Lehre selbst
die von Bagdad übertreffen«, erwiderte Da'ud mit eifriger Stimme.
»Nichts würde mir größeres Vergnügen bereiten. Wir sprechen
wieder darüber, wenn die Zeit reif ist. Ich nehme jetzt mein Bad. Ihr
habt meine Erlaubnis, Euch zurückzuziehen.«
16
D ie wahren Umstände vom Tod Abd ar-Rahmans
III. wurden nie bekannt. Mustapha entfernte sofort alle Spuren des Öls,
das er in das Glied seines Herren massiert hatte, ehe sich der Kalif in
die Umarmung seiner geliebten Zahra, des einzigen Objektes seiner
Begierde in seinen späten Jahren, gestürzt hatte. Gemeinsam mit ihr
hatte er dann den Leichnam seines Herrn in den Vorhof des Harems
gebracht und ihn dort so hingelegt, daß es schien, als sei er auf dem
Weg zu seiner Lieblingskonkubine zusammengebrochen und gestorben.
Peinlich berührt, hatten die Hofärzte seine Version vom Tod des Kalifen
bestätigt, hatten keinerlei Bedürfnis gehabt, die Angelegenheit näher
zu untersuchen … Die Nachricht kam für Da'ud nicht
überraschend. Abd ar-Rahman hatte lange gespürt, daß sein Ende nahte,
und wenn er in den Armen der Frau gestorben war, die er liebte, so war
das der süßeste Tod, den er sich hätte wünschen können.
Völlig gebrochen, weigerte sich sein Erbe, al-Hakam II.
al-Mustansir, Da'ud während der folgenden Tage von seiner Seite zu
lassen, weder beim Empfang für die unzähligen Menschen, die erschienen,
um ihn in seiner Trauer zu trösten, noch bei den Festlichkeiten, mit
denen man seine Übernahme des Titels eines Kalifen und Herrschers der
Gläubigen feierte. Gereizt beschwerte er sich bei Da'ud über die seiner
Meinung nach ungerechtfertigten Freudenbezeugungen und erhielt von
diesem nur den schwachen Trost, derlei Kundgebungen seien wichtig, um
seinen Ruhm zu mehren und seine Untertanen zu treuen Diensten zu
verpflichten. Al-Hakam fühlte sich sichtlich unwohl inmitten all der
Festlichkeiten, machte in seinen königlichen Roben eine schüchterne, in
sich gekehrte Figur und fand, daß die farbenfrohen Verzierungen, die
den Palast schmückten, ihn in den Augen schmerzten, erlebte die
wirbelnden, fröhlichen Reitervorführungen als ermüdendes Spektakel, das
üppige Festmahl als ungehörig. Nur die blumigen Lobgesänge, die ihm zu
Ehren von den größten Dichtern des Reiches vorgetragen wurden, die
herrlichen Metaphern, die kunstfertigen und strengen Reime bereiteten
ihm ein wenig Vergnügen. Und die klagende Musik, die von den besten
Musikern aus Sevilla noch bis spät in die laue andalusische Nacht
hinein gespielt und gesungen wurde, verschmolz mit seiner Melancholie.
Während Da'ud den neuen Herrscher von al-Andalus die Woche
hindurch beobachtete, wurde ihm klar, daß seine Verpflichtungen bei
Hofe sich schon bald grundlegend ändern würden. Unter Abd ar-Rahman war
er ein getreuer Diener gewesen, hatte bestimmte Aufgaben erfüllt, für
die seine Begabungen und seine Ausbildung unverzichtbar waren, aber nur
Rat erteilt, wenn man ihn in Angelegenheiten, die er zu beurteilen in
der Lage war, darum ersucht hatte. Im Gegensatz dazu sah al-Hakam in
ihm eindeutig eine lebenswichtige Stütze seiner Herrschaft. Er forderte
seine ständige Anwesenheit, suchte seinen Rat in einer Vielzahl von
Fragen, die mit der Regierung des Reiches verknüpft waren. Diese Rolle
gefiel Da'ud gar nicht, denn sie verstieß gegen die traditionelle
Zurückhaltung seiner Familie gegenüber dem Herrscherhaus. An jeder
Wegbiegung würde er nun den hinterlistigen Intrigen der neidischen
muselmanischen Höflinge ausgesetzt sein. Jeden Augenblick mußte er wach
und auf der Hut sein. Und doch würde seine Zukunft – nein,
vielmehr sein Leben – auf dem Spiel stehen, wenn er seinen
Schwur, dem Oberherren treu zu dienen, zurücknähme. Wieder einmal saß
er in der Falle, war Gefangener einer ausweglosen Situation. Ab jetzt
würde ständig eine verdeckte Drohung über ihm, seiner Familie und der
ganzen jüdischen Gemeinde schweben. Eines war ihm klar: Er mußte
unverzüglich für das
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