Die Zypressen von Cordoba
gleichgültig geblieben sind, bedeutet nicht, daß diese junge
Frau nicht das Recht hat, derlei anzustreben.«
»Du könntest recht haben«, gestand ihr Da'ud widerwillig ein,
als er aufstand, um vor der Nachtruhe noch einmal seinen Vater zu
besuchen. Auf dem kurzen Weg zu seinem Elternhaus versuchte er, seine
Eindrücke von seinem zweiten Zusammentreffen mit Djamila zu ordnen. Wie
er selbst, so hatte auch Sari rasch gespürt, daß diese junge Frau sich
verbessern wollte. Mehr noch, Sari hatte den Wunsch für völlig
gerechtfertigt gehalten und den Unterschied zwischen Djamila und sich
selbst betont. Genau dieser Gegensatz verhieß Gutes für die Beziehung
zwischen den beiden, war ein entscheidender Faktor in Da'uds
Überlegungen, denn er würde in seinem Haus keinen Streit dulden. Aber
was würde Sari von ihm halten, wenn er Djamila nur heiratete, um ihren
Körper dazu zu benutzen, ihm einen Erben zu schenken? Er liebte sie
nicht, würde sie nie lieben. Er würde mit ihr das Lager ohne Liebe
teilen. Wie konnte Sari ihn nach allem, was ihr Männer angetan hatten,
für eine solche Tat nicht verachten, obwohl sie ihn ermutigt hatte,
sich eine andere Frau zu nehmen? War Djamilas Ehrgeiz, sich in der Welt
zu verbessern, den seine Frau so von ganzem Herzen guthieß,
ausreichende Rechtfertigung – oder Entschädigung –
für den zielgerichteten, ja zynischen Plan, den er hegte? Es war
paradox, aber er verlangte nach der Billigung seiner ersten Frau, die
er liebte, für seine Heirat mit einer zweiten, die er nicht
liebte …
Sollte er vorgeben, Djamila zu lieben, oder ihr die Situation
von Anfang an offen darlegen? In jedem Falle würde er sich darum
bemühen müssen, sie zu bezaubern. Sie sollte doch auch Vergnügen daran
haben, mit einem Mann das Lager zu teilen, der zwanzig Jahre älter war
als sie. Es war eine lästige Aussicht, für die er weder die Geduld noch
das Verlangen in sich spürte, aber wenn er nicht in Djamila eine
gewisse Leidenschaft entfachte, würde er der Frau, die er wirklich
liebte, nicht mehr in die Augen sehen können. Wäre sein Vater bei
besserer Gesundheit gewesen, er hätte ihn vielleicht um Rat gefragt,
aber wie die Dinge standen, wagte er es nicht, ihn weiter zu
ermüden … Er würde noch ein wenig warten, Djamila etwas
gründlicher in Augenschein nehmen, seine Entscheidung einige Zeit
hinausschieben …
Ya'kub schlief schon, als Da'ud in seinem Elternhaus eintraf.
Auf Solas leidenschaftliche Bitte, er möge seinen Vater retten,
antwortete Da'ud mit einer verzweifelten Geste. »Ich habe in der Natur
schon Wunder gesehen, ich habe von Wundern gelesen, aber es liegt nicht
in meiner Macht, Wunder zu vollbringen«, sagte er und umarmte sie
voller Mitleid. So standen sie, als an der Haustür ein gebieterisches
Klopfen ertönte. Einen Augenblick später erschien Mustapha mit einem
dringenden Befehl für Da'ud. Er sollte sich unverzüglich in den alten
Palast begeben, wo al-Hakam, der Sohn und Erbe des Kalifen, krank
darniederlag.
Da'ud merkte, daß Sola ganz steif vor Entrüstung wurde, weil
jemand derart in den Kreis ihres Familienlebens eindrang. Der Sohn des
Kalifen mochte krank sein, aber ihr Mann, Da'uds Vater, war dem Tode
nahe. Auch Da'ud war nicht erfreut über Mustaphas Botschaft, konnte das
aber im Gegensatz zu ihr geschickt verbergen.
»Es ist schon spät, Mutter. Du mußt dich ausruhen, während
Vater schläft. Ich schaue morgen wieder vorbei.«
Als Da'ud in den Palast kam, lag al-Hakam, der gewöhnlich
ruhig und nachdenklich war, auf dem Diwan und krümmte sich in
furchtbaren Schmerzen. Von Angst gepeinigt, lief Abd ar-Rahman unruhig
im Raum auf und ab, hatte angesichts der Leiden seines Sohnes seine
ganze Herrscherwürde verloren.
»Gott sei Dank, Ihr seid hier!« rief er und packte Da'ud
heftig beim Arm. »Es muß Gift sein! Einer seiner eifersüchtigen
Halbbrüder versucht wohl, ihn aus dem Weg zu räumen, um selbst den
Thron an sich zu reißen, wenn ich nicht mehr bin. Nur Ihr könnt ihn
noch retten!«
Da'ud löste sich sanft aus dem mächtigen Klammergriff des
Kalifen, stand einen Augenblick ruhig da und beobachtete den Patienten,
beugte sich dann vor, um ihm Nacken und Stirn zu fühlen.
»Im Augenblick hat er kein Fieber. Wenn seine Temperatur sich
nicht erhöht, können wir mit Sicherheit ausschließen, daß Gift die
Ursache seiner Krankheit ist.«
»Allah sei gepriesen!« rief Abd ar-Rahman aus. »Eine solche
Tragödie hätte ich nicht überlebt!«
»Wo
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