Diebe
zur Linken ist ein Muskelpaket. Er trägt ein schwarzes Netzhemd, wahrscheinlich damit man seine Tätowierungen und die lange Narbe an seinem rechten Arm sehen kann. Er ist einer, der keinen gesteigerten Wert auf schicke Anzüge und italienische Schuhe legt. Baz hält ihn für einem Albtraummann, jemanden, der nur glücklich ist, wenn er Schaden anrichten kann.
»Fay!«
Es ist der Mann zwischen den beiden anderen, der das Wort ergreift. Jeder kennt seinen Namen, obwohl man, wenn man nicht seinen Laden, die Slow Bar am Agua, besucht, wenig Gelegenheit haben wird, ihn zu Gesicht zu bekommen. Er ist die Spinne des Barrio, Señor Moro. Er sitzt in seinem Zimmer und zieht an den Fäden, die alle anderen zum Tanzen bringen. Er macht keine Höflichkeitsbesuche.
Die drei Männer stellen sich in einer kleinen V-Formation auf. Moro ist älter als seine beiden Gorillas, hat graue Einsprengsel in seinem schwarzen Haar, und er wirkt irgendwie gedrungen, halb Millionär, halb Bettler. Zwar trägt er einen richtig teuren Anzug, aber unter dem Jackett hat er nur ein Unterhemd an, ein weißes, das ziemlich schmuddelig aussieht, so als wolle er der Welt demonstrieren, dass er Geld ohne Ende ausgeben und trotzdem hässlich aussehen kann, einfach weil es ihm so passt. Er hat eine Zigarre in der Hand, keinen dünnen Stumpen, sondern eine fette glühende Havanna. Die Leute sollen’s schon vorher riechen, wenn er kommt.
»Fay«, sagt er mit seiner rauen Stimme noch einmal, als sei sie eine lang vermisste gute Freundin. »Lange her, dass du mich zuletzt besucht hast. Wie geht es dir – dir und deinen Kindern?« Er lässt die Frage für einen Moment im Raum stehen. »Vielleicht erlaubst du, dass ich mich setze, ja? Meine Beine, weißt du, ganz schlimm.« Mit theatralischem Seufzen lässt er sich nieder und streicht sich die Hosenbeine glatt. Die Kinder beobachten ihn aus den verschiedenen Ecken des Zimmers, alle mucksmäuschenstill, keiner möchte Aufmerksamkeit erregen. »Keine Laufereien für mich mehr. Vielleicht läufst du noch durch die Gegend, Fay. Siehst allerdings nicht besonders gut aus. Könnte Fieber sein. Hast du Fieber, Fay?«
»Nein, ich hab kein Fieber, Señor Moro.« Baz kann sich nicht erinnern, Fay schon einmal so höflich erlebt zu haben.
Er nickt und zieht an seiner Zigarre. »Das ist gut. Geschäfte laufen auch gut«, sagt er, zieht die Zeitung zu sich heran und klopft auf das Bild von der Dame mit dem gelben Hut auf der Titelseite. »So viel Raub. So viele Diebe in der Stadt.« In seiner Stimme klingt gespielte Besorgnis. »Einen schönen Ring hat diese Señora verloren. Einen sehr schönen, wie ich höre. Viele tausend Dollar.«
Baz möchte Demi ansehen, der auf der anderen Seite hinter Fay steht. Doch sie beherrscht sich, richtet ihren Blick fest auf die Spinne. Der Ring, der aussah, als hätte er ein Stück Himmel verschluckt – war der nichts anderes als ein Unglücksring?
»Hab den Artikel gelesen«, sagt Fay. »’ne reiche Frau mal wieder, die ’n großen Wirbel veranstaltet. Wahrscheinlich hat sie ’ne Abmachung mit dem Geschäft, zu behaupten, dass der Ring mehr wert ist, als er’s in Wirklichkeit ist. Versicherung. So sind sie halt.«
»Ja«, stimmt Moro liebenswürdig zu. »So sind sie. Keiner kann dem andern mehr vertrauen. Nicht mal die Reichen, nicht mal die Frau von Dolucca.«
Baz hält den Atem an. Alle Anwesenden wissen, was das bedeutet, sogar der kleine Sol. Wer wäre wohl so dumm, den Captain der städtischen Polizei zu beklauen? Demi, denkt Baz, oh Demi, warum musstest du dir diese Frau aussuchen? Den Captain zu beklauen, das ist ja, als würdest du laut ans Tor des Schlosses klopfen und die Greifer bitten, bloß keine Zeit zu verschwenden, sondern dich gleich einzubuchten.
Falls Fay überrascht ist, kann sie es gut verbergen. »Wen soll’n das interessieren im Barrio, ob die Frau vom Captain irgendwas Kostbares verloren hat oder nicht?«
Moro lässt Rauch aus seinem Mund strömen, dann schnippt er die Asche von seiner Zigarre auf den Tisch. »Nehmen wir an, dieser Captain ist jemand, den ich kenne. Der mir mal einen Gefallen tut. So wie ich dir mal einen Gefallen getan hab, Fay. Weißt du noch, damals, hattest schlechte Zeiten erlebt und warst neu im Barrio, wie du zu mir gekommen bist, damit dich keiner belästigt und du dir ’n hübsches Geschäft aufbauen konntest. Ist immer alles ’ne Frage des Geschäfts. Ich und der Captain, wir sind im Geschäft, und deshalb hat der
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