Diebe
Dieb, der den Captain beklaut, Pech gehabt, verstehst du. Großes Pech.«
»Was hat das mit mir zu tun?«, fragt Fay.
Aber Baz hat begriffen, und sie weiß, dass auch Fay begreift, was los ist, genau wie alle anderen. Demi weiß auch Bescheid, obwohl sein Gesicht so ausdruckslos ist wie eine Bratpfanne. Er weiß, dass er verdammt kurz davor ist, von der Spinne verschluckt zu werden. Moro und der Captain tanzen nach ihrer eigenen Pfeife, und wenn einer aufhört zu tanzen, geht alles den Bach runter. Sie macht ein unschuldiges Gesicht, aber es kommt ihr vor, als würde das ganze Barrio sie anstarren, sie und Demi, und alle würden rufen: Die da waren es!
Moro zeigt ein ausgesuchtes Schulterzucken. »Du hast Kinder mit fleißigen Fingern, Fay, also könntest du den Ring haben. Der Junge da vielleicht«, er zeigt mit der halb aufgerauchten Zigarre auf Demi, »vielleicht hat er ihn Señora Dolucca aus der Hand gezogen. Bist du ein guter Dieb, mein Junge?«
Demi hebt das Kinn. Baz befürchtet, dass er großtun und die Klappe aufreißen wird, aber nein, er hält schön den Mund. Moro betrachtet ihn eine Weile, dann wendet er sich wieder Fay zu. »Wenn du ihn hast, Fay, solltest du ein kluges Mädchen sein und ihn mir geben, eh.«
»Wenn ich ihn habe! Was glauben Sie? Dass ich so was aufbewahre?« Sie tut die Vorstellung mit einer schroffen Handbewegung ab.
»Sicher. Ist schon klar«, beschwichtigt Moro. »Aber ’ne kluge Geschäftsfrau wie du, Fay, die weiß, dass bei so ’ner großen Sache jeder die Augen offen hält und die Ohren spitzt. So einen Ring in Geld umzutauschen, das ist schwer. Wenn jemand versucht, diesen Ring zu verkaufen, dann hör ich davon. Also hast du ihn vielleicht erst mal versteckt. Gibst ihn nicht weg, oh nein. Ist ’ne Kapitalanlage für dich. Vielleicht hast du einen Ort im Barrio, wo du wertvolle Sachen versteckst.« Er nimmt einen tiefen Zug aus seiner Zigarre und lässt den Rauch langsam aus dem Mund entweichen. »Einen Geheimplatz«, sagt er und zieht die Worte so weit auseinander wie den ausgeatmeten Rauch.
Baz bleibt unbewegt, aber sie muss an Fays Versteck mit all seinen Schätzen denken, irgendwo unten im Keller.
»Wenn ich lauter solche Sachen versteckt hätte, glauben Sie, dann würd ich hierbleiben, an so ’nem Ort?«
»Vielleicht. Vielleicht täuschst du gern was vor. Jeder täuscht ein bisschen was vor. Könnte mir denken, dass du auch deinen Kindern ’n bisschen was vormachst.«
»Wenn sie sich anständig benehmen, kriegen sie auch, was ihnen zusteht.« Ihre Stimme ist jetzt deutlich schärfer.
»Sicher, sicher ... glauben wir, aber dein Junge Raoul hat mit meinen Jungs geredet, hat Geschichten erzählt.« Er lacht. »Meine Jungs sind ’n bisschen älter als deine.« Und er zeigt auf Toni und den Albtraummann mit den Tätowierungen. »Hat erzählt, dass du einen Ring bekommen hast. Meinte, der würde ziemlich gut aussehen.«
»Raoul hat ’ne große Klappe«, sagt Fay bitter. »Hab Ihnen den Jungen geschickt, weil Sie nach einem Jungen gefragt hatten.« Fay kümmert sich nicht um den Blick, den Baz ihr zuwirft, falls sie ihn denn überhaupt bemerkt. »Sie haben gesagt, Sie hätten ’nen Job, der zu erledigen wäre, und würden dafür einen von meinen Jungen brauchen. So hab ich Sie verstanden. Raoul ist das einzige Kind, das ich entbehrn kann, und ich kann ihn entbehrn, weil er zu viel redet. Können sich gern anhörn, was er sagt, aber erwarten Sie nicht, dass es Tatsachen sind oder die Wahrheit. Raoul erzählt einem andauernd irgendwelche Sachen, von denen er glaubt, dass man sie hörn will. Ist das nicht so, Demi?«
»Ja, das stimmt, Fay«, sagt Demi. »Raoul redet viel, wenn der Tag lang ist.« Seine Stimme ist ruhig, seine Augen fest auf die Spinne gerichtet.
»Natürlich«, sagt Moro lächelnd. »Hätt ich mir auch denken können, nicht wahr, Fay? Sollte mich hüten, auf irgendein Kind zu hören, nur weil’s von dir kommt. Gilt vielleicht auch für diesen Jungen hier, den, der mir nicht verraten will, dass er so ein guter Dieb ist. Vielleicht nehm ich den auch mit, behalte ihn ein bisschen bei mir.«
»Sie haben Raoul«, sagt Fay. »Behalten Sie den. Demi arbeitet für mich. Wenn Sie wolln, dass ich meine Abgaben zahl, dann brauch ich ihn.«
Moros Augen verengen sich, er starrt sie durch die braunen Rauchschwaden seiner Zigarre hindurch an und überlegt. Baz hat das Gefühl, eine Hand würde sich um ihren Hals legen und zudrücken. Dieser Mann hat Raoul.
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