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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Wenn er jetzt noch Demi nimmt, wird er auch sie nehmen müssen. Es ist so still in der Bude, dass sie nichts weiter hört als ihren eigenen Atem, ihr klopfendes Herz. »Na schön«, sagt Moro, beugt sich vor und drückt die Zigarre auf dem Tisch aus. »Behalt ihn. Ich behalt den anderen. Den mit dem Mundwerk. Der kann für mich auf dem Berg arbeiten. So’n Junge ist ’n guter Arbeiter, schön kräftig. Das ist gut für den Berg.«
    Der Berg! Der Berg auf der anderen Flussseite. Tief im Herzen weiß Baz, dass Fay nicht protestieren wird. Was bedeutet ihr Raoul noch? Nichts als Ärger. Die zwei Jahre, die er mit ihnen zusammengelebt hat, seine Witze, sein Lächeln – alles ausgelöscht. Wie Staub, denkt Baz. Nur Staub für Fay.
    Moro nimmt nacheinander die Kinder im Zimmer unter die Lupe, abschätzend, wie der Schlachter das Fleisch. »Der Berg braucht immer flinke Hände, kümmert sich nicht darum, was einer sagt. Auf dem Berg hört einem keiner zu. Behalt also, was du hast, Fay«, er saugt an der ausgedrückten Zigarre, »aber diese Sache mit dem Ring, die gefällt mir gar nicht. Ich finde, wenn ich jemandem die Hand zur Hilfe reiche, meinen schützenden Arm, nicht wahr, und dieser Jemand dann meint, er muss in diese Hand beißen, die ihm hilft, dann ist das keine gute Sache. Dieser Jemand verliert alles.« Er erhebt sich. »Ich will den Ring, Fay. Wenn du ihn hast, bring ihn mir; wenn du ihn nicht hast, stell dich auf die Hinterbeine und finde ihn. Du hast zwei Tage Zeit.«
    »Natürlich, Señor Moro. Ich werd sie alle losschicken und suchen lassen.«
    »Ja, tu das, denn wenn ich diesen Ring nicht kriege, hole ich mir jeden Einzelnen von deiner kleinen Familie hier. Dann nehm ich sie alle.« Er schnippt überdeutlich mit den Fingern. »Dann bist du wieder da, wo du warst, als du damals zu mir gekommen bist. Nämlich allein, Fay, und nichts mehr wert, weil du jetzt alt wirst, und besonders gut aussehen tust du auch nicht.«
    Fay rührt sich nicht. Zeigt nicht die geringste Reaktion, obwohl alle Kinder sie ansehen. »Zwei Tage, das heißt, sie sollten sich schnell an die Arbeit machen – hey, kleine Familie, strengt euch an und findet diesen Ring für mich, dann ist alles wieder in Butter, und so haben wir’s doch am liebsten.« Er wendet sich zum Gehen, doch dann bleibt er an der Tür stehen, als sei ihm plötzlich noch ein Gedanke gekommen. »Deine Miete, Fay, das ist so gut wie gar nichts. Du musst mir ein bisschen mehr bezahlen.« Aus irgendeinem Grund fixiert er dabei Baz, und Baz spürt seine Augen hinter der dunklen Brille, und unwillkürlich steigt in ihr die Vorstellung auf, wie er mit seinen plumpen Fingern ihr Gesicht berührt. Sie versucht ihr Schaudern zu unterdrücken. Moros Blick richtet sich wieder auf Fay.
    »Ich hab immer alles bezahlt«, sagt sie.
    »Ja, warst brav«, sagt er, »aber«, und er hebt die Hände, Innenflächen nach außen gewendet, »ich bin auch Geschäftsmann, Fay, also zahlst du oder ich nehme alles.«
    Fay nickt.
    »Gut.« Moro pflückt einen Zettel aus seiner Brusttasche. »Hier, das will ich haben.« Und er lässt den Zettel zu Boden segeln. Er wartet nicht ab, dass Fay ihn aufhebt und die neue Summe liest, sondern gibt seinen Männern ein Zeichen und die drei verlassen die Wohnung.
    Es herrscht Schweigen in der Bude, alle lauschen dem Trampeln der Männer auf der Leiter und dann, von weiter weg, dem Zuknallen der Tür, als sie hinaus auf die Gasse treten.
    Fay hebt den Zettel auf und lässt gleich darauf die Schultern sinken. Miguel bringt ihr ein Glas von ihrem Wein, bleibt dann etwas hinter ihr stehen, wie ein Schatten.
    »Wie viel verlangt er?«, fragt Demi.
    »Er will alles, was wir haben, alles, was ich gespart hab.«
    »Gibst du ihm den Ring?«
    »Nein.«
    »Na ja, was willst du dann tun?«, fragt Demi
    »Ich?« Ihre Stimme wird schärfer. »Ich bin hier fürs Denken zuständig. Ihr aber, ihr schiebt ab sofort Doppelschichten. Alle miteinander!«
    Baz muss an Raoul denken. Raoul, der niemanden hat. Raoul allein im Dunkeln. Was für eine Arbeit macht man auf dem Berg?
    »Okay, geht klar, Fay«, sagt Demi. »Du machst dich ans Nachdenken. Wir lassen dich in Ruhe, okay. Sollst ungestört sein.« Er gibt Baz und Sol und den anderen ein Zeichen, und sie gehen alle zur Tür, nur Miguel bleibt, wo er ist.
    Beim Hinausgehen hört Baz Miguel sagen: »Ich weiß da jemanden, der dich kennenlernen möchte, Fay. Er hat Geld, gute Beziehungen. Vielleicht kann er helfen, Fay

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