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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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weggebracht worden, ohne große Umstände und aus dem gleichen Grund: weil er mit den falschen Leuten gesprochen hatte.
    Die Szene ist beendet. Fay muss noch weg, sie nimmt Miguel mit, sagt aber nicht, wohin es geht. Sol und Hesus kehren heim und schütten eine Handvoll Kleingeld auf den Tisch. Sie haben sich wacker geschlagen, und Demi klopft ihnen auf die Schultern und erklärt, sie hätten richtig Klasse und er müsse langsam echt aufpassen, sonst würden sie ihn hier bald überflüssig machen. Sie grinsen und plustern sich etwas auf, kopieren die Art, wie Demi sich aufführt, wenn er sehr mit sich zufrieden ist, aber es dauert nicht lange, dann verziehen sie sich nach draußen zum Fußballspielen. Demi und Baz bleiben allein zurück und besprechen sich leise. »Weißt du«, sagt Demi schließlich, »du hast recht wegen Miguel – er hat Rattenblut in den Adern, und er hetzt Fay auf, erzählt ihr ständig irgendwelche Sachen. Er kriegt von ihr mehr Beachtung als du oder ich.«
    »Fay hat zu lange mit Ratten zu tun gehabt, die lässt sich von diesem Jungen nichts vormachen«, sagt Baz, aber Demi ist nicht überzeugt, er verzieht das Gesicht und sagt nichts. Draußen wird es endlich dunkel. Die anderen trudeln wieder ein, um das aus Schweinefleisch, Zwiebeln und schwarzen Bohnen bestehende Abendessen gemeinsam einzunehmen, aber Raoul ist noch immer nicht zurückgekehrt, und Baz weiß, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.
    Sie und Fay bereiten das Essen zu, aber als Baz sie nach Raoul fragt, zuckt Fay nur mit den Schultern, als würde er, genau wie Paquetito, bereits der Vergangenheit angehören. Baz lässt nicht locker, achtet nicht auf Demi, der ihr Zeichen gibt, sie solle den Mund halten. »Du hast ihn doch zur Bar von Señor Moro geschickt. Du hast vorher noch nie jemanden von uns dahin geschickt. Vielleicht solltest du mal anrufen. Fragen, ob –«
    »Was fragen?« Ihre Stimme ist eisig. »Ein Junge, der keine Nachrichten überbringen kann, nützt mir nichts, also hör auf mit deinem Getue. Oder möchtste dir vielleicht ’ne andere Bleibe suchen? Überleg dir das. So wichtig ist hier keiner, außer mir – denk dran.«
    Baz lässt sich nichts anmerken. Sie blinzelt nicht einmal, doch sie wendet sich ab und fühlt einen Schmerz, als hätte man ihr ins Fleisch geschnitten. So etwas hat Fay noch nie zu ihr gesagt. Als sie merkt, dass Miguel sie ansieht, schaut sie ihm genau in die Augen, bis er den Blick senkt. Vielleicht ist er wirklich eine Giftspritze und redet Fay irgendwelche Sachen ein. Baz fragt sich, wie viele Sorten Gift es wohl auf der Welt geben mag.
    Sie registriert, wie Fay, ohne ein Wort zu sagen, das Kleingeld der Jungen vom Tisch sammelt und es, während Sol sie die ganze Zeit mit seinen großen Augen beobachtet, in einen Kasten schmeißt, den sie in ihrem Zimmer stehen hat. »Gut«, sagt sie schließlich, nachdem Demi die Jungen noch einmal für ihre Leistung gelobt hat. »Gut« – aber es klingt, als hätte man ihr das Wort mit der Kneifzange aus dem Mund gezogen. Dann trägt sie das Essen für alle auf, nimmt aber selbst nichts zu sich, setzt sich nur mit einer Flasche Wein ans Kopfende des Tisches. Als die Glocke klingelt, rührt sie sich nicht einmal.
    »Ob das Raoul ist?«, fragt Baz.
    Fay zuckt gleichgültig mit den Schultern, aber kurz darauf sagt sie: »Nein, der nicht.« Baz und Demi wechseln Blicke. Woher weiß sie das?
    »Soll ich nachgucken?«, fragt Demi.
    »Wir habn nichts zu verbergen vor diesem Mann.«
    Sie erwartet also jemanden. »Willst du, dass wir rausgehn?«, fragt Baz.
    »Nein. Hört ruhig mit. Ihr alle. Warum nicht?« Achselzuckend gibt sie Demi ein Zeichen, dass er die Tür öffnen soll. Der tut wie geheißen und zieht sich dann ans andere Ende des Zimmers zurück, als würde auch er spüren, dass der Besucher, wer immer es sein mag, eine Bedrohung darstellt und man desto sicherer ist, je weiter man sich von ihm fernhält. Baz bleibt, wo sie ist, ein bisschen nach hinten versetzt neben Fay.

7
    Nicht eine, sondern drei Personen betreten den Raum, alles Männer, alles Schattenmänner, wie Baz erkennt, obwohl sie nur einen von ihnen schon mal gesehen hat. Der zur Rechten, das ist Toni, Onkel Toni, mit einem Lächeln, das ihm, so Baz’ Vermutung, jeden Morgen aufs Gesicht gesprüht wird, so wie bei den Frauen in den vornehmen Frisiersalons, die sich die Haare auftürmen und mit Spray fixieren lassen, damit es den ganzen Tag lang schön schräg und teuer aussieht. Der

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