Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
Vom Netzwerk:
...«

8
    Gleich am nächsten Morgen trieb Fay sie hinaus mit der Aufgabe, sich den Markt vorzunehmen. Sie wollte nicht über Moro sprechen, bekam fast einen Wutanfall, als sie nach Raoul fragten, und als sie um die Mittagszeit mit einem Bündel schmuddeliger Dollarscheine zurückkehrten, die sie mal hier aus einem Portmonee, mal dort aus einer Tasche gezogen hatten, nahm sie ihnen das Geld ab und beklagte sich, sie seien faul und träge geworden. »Miguel kassiert mehr ein als du, Demi. Was ist los? Biste plötzlich langsam geworden?«
    Sie schickte sie sofort wieder los. Gab ihnen Anweisung, das Geschäftsviertel zu bearbeiten. Sie gehorchten. Sie nahmen sich jede einzelne Straße vor, bald hundert Kilometer müssen es gewesen sein, die sie gelaufen sind – so jedenfalls kam es Baz vor –, und trotzdem bekamen sie kaum genug zusammen, um die Rückfahrt mit der Straßenbahn zu bezahlen.
    »Glaubst du, dass Señor Moro Raoul in der Bar behält und ihn da arbeiten lässt, vielleicht, dass er irgendwelche Besorgungen machen soll oder so?« Sie hatten es den ganzen Tag vermieden, über ihn zu sprechen.
    Demi studierte die Laschen seiner Turnschuhe, als seien die etwas ganz Besonderes. »Baz, wozu soll er das machen? Er hat ihn schnurstracks auf’n Berg geschickt, schätz ich.«
    Zurück in der Bude warf Fay nur einen kurzen Blick auf die kläglichen Geldbündel, die Demi auf den Tisch legte, und schickte sie gleich wieder nach draußen. »Hab ’ne geschäftliche Verabredung und ihr beide fallt mir auf die Nerven. Baz, geh und kauf was zu essen ein.« Sie gab ihr ein paar Dollarscheine, die sie aus einem der Bündel pflückte. »Kein Fleisch – nur Brot und Bohnen, das reicht.«
    Jetzt sitzen Baz und Demi draußen auf den Eingangsstufen zum Lagerhaus, mitten in der drückenden Nachmittagshitze. Sie hat die Arme um die Knie geschlungen. Demis Stirn liegt in Falten, während er immer wieder Steine zum verschlammten Ufer hinunterwirft. »Warum läuft alles aus’m Ruder, Baz? Wieso schlägt Señor Moro seine Krallen in Fay rein, kommt mit seinen Gorillas in die Wohnung geplatzt, droht ihr und bläst seinen Rauch in die Gegend? Und dann solln wir dies tun und solln das tun, und man weiß gar nicht mehr, woran man ist.«
    »Sie hat ihm Raoul gegeben.«
    »Vielleicht war das richtig so. Vielleicht hat Raoul geredet.« Als eine Ratte die Nase aus dem Abfall unter dem Lagerhaus steckt, schleudert Demi mit aller Kraft einen Stein nach ihr. Er trifft die Ratte sogar, doch großen Schaden nimmt sie nicht, sondern flitzt nur wieder zurück in den Schatten. »Ich sag nicht, dass er uns verraten wollte, Baz, aber vielleicht hat ihn Moro zum Reden gebracht, vielleicht hat dieser Onkel Toni ihn ’n bisschen in die Mangel genommen. Da kommt keiner gegen an, wenn sie einen dazu bringen wollen, ein bisschen mehr auszuspucken, als man sollte, Raoul nicht, du nicht und vielleicht nicht mal ich.«
    »Das glaubst du nicht im Ernst, dass das richtig von ihr war! Du glaubst nicht im Ernst, dass Raoul irgendwas sagen würde, was uns in Schwierigkeiten bringt! Wie kannst du so was nur denken? Du kennst Raoul!«
    »Wie hat er die Uniformierten im Bahnhof abgeschüttelt? Du hast gesehn, wie sie ihn geschnappt haben.«
    »Hat eben Glück gehabt. Wie oft ham wir schon Glück gehabt und sind den Greifern entwischt.«
    Sie sieht ihm zu, wie er einen weiteren Stein wirft. Nach einer Weile sagt sie: »Sie hat ihm zugelächelt, Demi, und gesagt, ’s wär alles in Ordnung, und gleich danach übergibt sie ihn an Señor Moro. Glaubst du, dass sie irgendwann mal mit uns das Gleiche macht?«
    »Warum sagst du so was? Du und ich, wir sind alles, was sie hat.«
    »Wir sind ihr egal, Demi. Alles, was sie interessiert, ist Geld.« Sie schaukelt ein wenig, während sie die Knie umschlungen hält. »Wen wird sie als Nächstes wegschicken, Demi? Zuckst du auch mit den Schultern, wenn sie mich zur Slow Bar schickt?«
    »Fay schickt dich und mich nirgendwohin, wo wir nicht hinwolln. Wir sind wie ’ne Familie, Baz.«
    »Raoul ist auch Familie.«
    »Fast.«
    »Raoul war Familie. Bis gestern. Jetzt ist Raoul gar nichts mehr, wenn wir nicht irgendwas unternehmen.« Sie steht auf.
    Demi schleudert einen Stein, so weit er kann, zu dem ausgetrockneten Fluss hinaus, beobachtet, wie er in den Schlamm fällt und ihn ein wenig aufspritzen lässt. »Glaubst du, wir können da einfach auf’n Berg spaziern und ihn mitnehmen? Willst du mir das erzähln? Dann spinnst du

Weitere Kostenlose Bücher