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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Stadtkind. Und Baz traut ihm nicht.
    Für einen kurzen Augenblick hat sie einen dieser flüchtigen Gedanken, die einem unvorbereitet durch den Kopf huschen: Könnte er Fays erstes Kind sein, das, von dem sie erzählt hat? Nein, natürlich nicht, er ist zu jung, jünger als Demi. Aber Fay zieht ihn vor.
    Demi deutet mit dem Kopf auf Miguel. »Hat er was mit diesem Job zu tun, von dem du gesprochen hast?«
    »Er kennt das Haus«, sagt Fay. »Und er ist der Bote zwischen mir und dem Kind, dem jungen Mann, der das Glück zu mir zurückbringen wird – das ist’s, was Miguel getan hat. Kannst du ruhig anerkennen.«
    »Ich erkenn ihn an und Baz auch, solang er uns anerkennt und uns nicht durch irgendwelches Gerede und Geflüster Ärger an den Hals hängt, so wie’s bei Raoul passiert ist.«
    »Raoul hat sich seinen Ärger selbst gemacht«, sagt sie scharf. »Miguel hat nichts andres getan, als zu helfen. Hörst du, Demi?«
    »Okay, okay. Also, wann lernen wir denn dieses Wunderkind kennen, das du versteckt hältst?«
    Fay sieht Miguel an. »Vielleicht, wenn wir mit Essen fertig sind.« Lächelnd gießt sie sich etwas Wein ins Glas und trinkt ihn mit einem Schluck aus. »Kommen gute Zeiten, Bazzie. Gute Zeiten – versprochen, eh.«
    Baz spielt mit. »Dann gehen wir nach Norden, kaufen uns da was, wie du gesagt hast.«
    »Klar. Wenn wir reich sind, glaubt ihr, dann bleib ich hier? Glaubst du, ich bin ’ne verrückte alte Frau, Demi?«
    Demi grinst. Der Gedanke daran, groß abzukassieren, macht ihn immer glücklich. »Nein, Fay, du bist die, die sich um uns alle kümmert.«
    Sie lächelt, und auch Miguel, dessen Augen an ihr hängen, hat ein kleines Lächeln im Gesicht. »Vergesst das nicht, vergesst das nie. So, und gleich müssen wir, du und ich, ein bisschen was besprechen, Demi. Auch ein kinderleichter Bruch will gut geplant sein.«
    »Klar doch.«
    Alle haben sie irgendeinen Grund zu lächeln, denkt Baz. Alle außer Raoul.
    Fay schlägt mit ihrem Löffel gegen den Topf, das Zeichen, dass es Essen gibt. Miguel ist der Erste in der Schlange, hält seine Schüssel bereit, doch Demi stellt sich ohne Umstände einfach vor ihn, und als Fay ihm auffüllt, nickt sie beifällig. Er ist immer noch die Nummer eins.

10
    Es ist spät. Die Luft in der Bude ist feuchtheiß, riecht säuerlich. Die Jungen scharen sich, nachdem sie aufgegessen haben, um den Fernseher und sehen sich die Nachrichten an; Fay sitzt in ihrem Lehnsessel, einen Zigarillo in der Hand. Der kleine Aschenbecher neben ihrem Ellbogen quillt über. Offenbar hat sie den Tag genutzt, um sich ordentlich Rauch in die Lungen zu pumpen.
    Draußen kracht es und der Himmel leuchtet auf. Der Bildschirm wird schwarz, die Jungen stöhnen und jubeln gleich darauf, als das Bild flackernd wiederkehrt. Donner rollt über das Barrio. Trockenes Gewitter. Elektrisch. Kein Regen. Nie gibt es Regen. Nur Getöse, schwere Luft und Schweiß.
    »He, Demi«, ruft Hesus. »Der Polizeichef mal wieder, Captain Dolucca persönlich. Er will dir die Haut abziehen. Hat er grad gesagt. Er meint: Wir schnappen uns die ganze elende Diebesbrut und ziehen ihr die Haut ab, und dann brennen wir das Barrio nieder und bauen eine neue schöne Stadt an dieselbe Stelle.« Sie lachen und johlen. Demi ist der Größte, so wie er wollen die anderen Jungen auch sein, und zwar so sehr, dass es keinem etwas ausmachen würde, wenn Demi ins Schloss wandern sollte, weil sie alle seinen Platz einnehmen wollen.
    »Der Captain sagt, keiner wär mehr sicher, weil in dieser Stadt der beste Dieb der Welt zugange ist.« Das war Sol. »Das wird er bald auch über mich sagen.«
    Hesus gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Du bist der einzige Dieb, für den sich keiner interessiert.«
    »Wo ist Miguel?« Demi steht lässig da, als würde ihn nichts anfechten, sieht nur flüchtig zum Fernseher hin.
    »Is für Fay unterwegs«, sagt Sol.
    »Ist das so, Fay? Miguel macht ’ne Besorgung für dich?« Demi wirft einen Blick zu Baz hinüber, die mit Giacomo zusammen die Reste des Geschirrs abwäscht. Baz zuckt mit den Schultern, auch sie hat nicht bemerkt, wie er weggegangen ist. »So ziemlich das Einzige, was der Junge zustande kriegt, ist Besorgungen machen.«
    Fay sieht gespenstisch weiß aus in dem Flackerlicht, sie hat die Augen geöffnet, aber so, als würde sie gar nichts sehen. Baz fragt sich, ob sie Demis Frage überhaupt gehört hat. Es kommt manchmal vor, dass sie so ist, völlig in sich versunken. Früher hat Baz

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