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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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das als ihre Problemphasen bezeichnet und sie und Demi haben sich dann nur auf Zehenspitzen um sie herum bewegt. »Sie hat Probleme«, pflegte Demi zu sagen. Als Baz älter wurde, ist ihr aufgefallen, dass die Problemphasen oft mit einer Flasche Rum oder Rotwein einherkamen. Auch jetzt steht eine Flasche mit weißem Rum auf dem Boden neben ihrem Sessel, halb leer, aber Baz weiß, dass sie in diesem Moment nicht betrunken ist. Es ist wegen dem Jungen, vermutet sie. Vielleicht macht sie sich Sorgen, dass dieser junge Mann, ihr einstiges Baby, der ihr angeblich helfen will, es sich doch noch anders überlegt, und was soll sie dann machen?
    Demi schlendert zum Eimer hinüber und klatscht sich etwas Wasser ins Gesicht. Fay, die ihn beobachtet, erschaudert leicht. Sie hat manchmal seltsame Fantasien, vor allem, wenn sie etwas getrunken hat. Baz behält beide im Auge, Fay und Demi. »Was hältste von diesem Captain, Fay?«, fragt Demi. »Meinste, er kommt hierher und rückt uns auf die Pelle?« Er bildet mit den Händen eine Schale und macht sich noch einmal das Gesicht nass.
    Auf dem Bildschirm ist ein schwarzer Polizeitransporter zu sehen, der vor den hohen weißen Mauern des Schlosses hält, und gleich darauf wird eine ganze Reihe von Kindern zum Tor geführt. So geht das in regelmäßigen Abständen: Irgendein großer Schreibtischhengst verkündet, es müsse mal wieder durchgegriffen werden, woraufhin die Polizei die Straßen durchkämmt und alle Schmuddelkinder einsammelt, die sie findet. Jetzt ist wieder der Polizeichef im Bild. Er trägt einen dicken, schwarz glänzenden Schnauzbart, der wie aufgeklebt wirkt.
    »Dieser Captain ist also Señor Moros Polizist, von dem er uns erzählt hat. Der, mit dem er im Geschäft ist. Der, dessen Frau ihrn Ring verloren hat – was meinste, Fay?«
    Baz hält den Atem an, wartet darauf, dass Fay ihm die Meinung geigt, ihm sagt, er solle sich mal zurückhalten, sonst würde sie ihn weggeben, genau wie Paquetito. Wie gewonnen, so zerronnen. Zeit, dass du gehst, Demi, deine Klappe ist zu groß geworden – das in etwa könnte sie sagen. Doch Fay schüttelt sich nur noch einmal, und ihre Stimme ist etwas belegt, als sie antwortet: »Nimm dich in Acht, Demi. Dieser Mann kann hörn, was du sagst, bevor du’s überhaupt gesagt hast.«
    »So gut ist der? Ich dachte, er wär nur einfach der Feind vom Barrio, nicht gleich der Teufel persönlich.«
    Draußen zucken immer noch stille Blitze über den Himmel. Die Glühbirne, die über dem Tisch hängt, wird dunkler, dann wieder heller.
    Als die Glocke bimmelt, brechen alle in hektische Aktivität aus.
    Demi nimmt ruckartig die Füße vom Tisch. Baz entfernt sich von der Tür, geht zum Eimer und wäscht sich hastig die Hände. Dann, als die Tür aufgeht und sie sieht, wer der Fremde ist, den Miguel in die Bude geführt hat, zieht sie sich noch etwas weiter in die dunkle Ecke zurück.
    Student? Nein.
    Journalisto? Nein.
    Wie der Engel auf diesem einen Kirchenfenster, ein vornehmer Engel mit einem Heiligenschein aus blonden Locken – Fays erwachsener Junge.
    »Hey.« Demi geht zu Fay und stellt sich neben sie. »Guckt mal, wen die Ratte mitgebracht hat. Hoher Besuch, Fay.«
    Miguel wirft Demi einen wütenden Blick zu, doch der vornehme Engel beachtet keinen von ihnen. Seine Augen sind auf Fay gerichtet.
    »Hab ihn hergebracht«, sagt Miguel überflüssigerweise.
    »Bist ’n guter Junge«, sagt Fay zu Miguel. Dann erhebt sie sich aus ihrem Sessel. »Also bist du zurückgekommen, wie abgemacht, hey.« Sie hält die Hände von sich gestreckt, als glaube sie, dass dieser junge Mann, ihr Engelsjunge, den sie für Geld weggegeben hat, sich ihr in die Arme werfen würde, aber er bewegt sich keinen Zentimeter von der Tür weg. Er nimmt sich Zeit, mustert erst sie, dann alles rundherum. Baz versucht die Bude so zu sehen, wie er sie jetzt wahrnimmt, ihr Heim, ihren Unterschlupf: die behelfsmäßige Einrichtung, auf den Flohmärkten zusammengesammelt; Kisten und Eimer und auf einer Leine aufgehängte Kleidung; Schatten, Unordnung und ein Haufen von Gesichtern, die ihm entgegenstarren. Er nickt, als würde er sie einen nach dem anderen abhaken. Demi zuletzt. »Ah«, sagt er, »du bist der Dieb, von dem alle reden. Meinst du, du bist vielleicht schnell genug, mir in die Tasche zu greifen?«
    »Ist irgendwas drin, was sich rauszuziehn lohnt?«, sagt Demi. Währenddessen hat sich Hesus an der Wand entlanggeschlichen, bis er im Rücken des jungen Mannes

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