Diebe
dann den Stummel seiner Selbstgedrehten im Aschenbecher aus. Danach wird er schweigsam, summt nur noch ein bisschen vor sich hin. Baz sieht armselig karge Felder vorbeiziehen. Dürre Bäume und ausgetrocknete Bewässerungsgräben vierteilen das verödete Land. »Wennse nicht bald mal Wasser in den Fluss tun«, sagt der Fahrer nach längerer Zeit, »dann wird das ganze Land hier verdursten.«
Wie sich herausstellt, ist auch seine kleine Farm im Hochland ausgetrocknet, kurz nachdem der Damm gebaut wurde, aber er gehörte noch zu denen, die Glück hatten, wie er sagt, Glück nämlich, in der Stadt Arbeit zu finden, und Glück auch, sie behalten zu haben.
Sie biegen von der Schnellstraße ab und winden sich einen Sandweg entlang, vorbei an einer Reihe von Hütten und einem umzäunten Gelände, auf dem sich kaputte und vor sich hinrostende Autos türmen. Ein alter dürrer Kran pickt an den Wracks herum, hebt sie hoch und lässt sie wieder herunterkrachen, worauf das zersplitternde Glas wie aufspritzendes Wasser in der Sonne tanzt und funkelt. Baz muss dabei an die langschnäbeligen Vögel denken, die sie oft durch den weichen Schlamm staksen sieht. Der Fahrer lässt seine Hupe lang und laut ertönen, bis eine Hand von ganz oben auf dem Kran zurückwinkt, und dann haben sie das Gelände auch schon hinter sich gelassen.
Kurz darauf kurbelt der Fahrer sein Fenster herunter, und die abgestandene Luft im Führerhaus vermischt sich mit einem süßlichen, beißenden Geruch, von dem Baz das Würgen bekommt. »Riecht ihr das?«, sagt er. »Setzt sich in die Haare, in die Haut. Das ist der Berg. Wenn du dich zu lange hier aufhältst, findst du keine Frau mehr, weil du nur noch nach Verwesung stinkst.« Wieder lacht er, und Baz dreht den Kopf weg, damit sie seine Zähne nicht sehen muss. »Da ist er.«
Genau vor ihnen erhebt sich ein stinkender Müllberg. Wo man hinguckt, glimmen kleine Feuer. Wie Augen, denkt Baz. Und von jedem dieser Feuer steigt dünner Rauch in den windlosen Himmel, wie Haarsträhnen. Und auf der totenschädelähnlichen Kuppe des Bergs kann sie Gestalten erkennen, die sich langsam bewegen.
Demi hält die Luft an und bekreuzigt sich. So etwas hat Baz bei ihm noch nie gesehen. »Das sieht aus wie die Hölle«, sagt er.
»Irgendwo muss der Abfall der Stadt ja hin.« Der Fahrer bremst etwas ab und fährt nun ganz am Rand des Weges. Zur Rechten liegen noch mehr verbrannte Felder; geradeaus befinden sich ein Betriebshof und ein Lkw-Fuhrpark, von dem gerade ein Laster herunterfährt, und dahinter dann eine ganze Ansammlung von Barackendächern, die sich bis zum Fuß des Berges hinziehen. Das Einzige, was sich zwischen ihnen und dem Müll befindet, ist der Drahtzaun, und an einigen Stellen sieht es so aus, als sei der Berg so groß geworden, dass er über den Zaun zu kippen und die Häuser unter sich zu begraben droht. Noch etwas sieht Baz, etwas, womit sie nicht gerechnet hat: zwei Männer, die an der Außenwand des Betriebshofs herumstehen. Männer in Anzügen. Männer mit Gewehren im Arm. Männer in schicken Anzügen, die mit Schmerz und Leid handeln. Was werden sie tun, wenn sie Demi und sie erkennen?
»Anhalten!«, sagt sie plötzlich, greift sich an den Bauch und krümmt sich nach vorn. »Mir wird schlecht.«
»Reiß dich bloß zusammen! Ich will keine Kotze hier drin.« Er steigt auf die Bremse und lenkt den Laster auf den Seitenstreifen. Baz drückt die Tür auf, stürzt sich hinunter auf den Sandboden, um dort erst einmal ausgiebig zu würgen, zu husten und zu spucken.
Demi springt hinterher. »Alles klar bei dir, Baz? Was ist los?«
»Ist vielleicht die Luft«, ruft der Fahrer. »Wenn’s ihr besser geht, geht ihr einfach da runter zum Betriebshof. Sind nur ’n paar Hundert Meter. Lasst euch Zeit. Das wird schon.« Ohne eine Antwort abzuwarten, zieht er die Tür zu, lässt den Motor aufheulen und donnert davon. Baz und Demi bleiben in einer erstickenden Wolke aus weißem Staub zurück.
14
Der Staub hat sich ihnen in die Augen, die Nasen und die Haare gesetzt. Demi rudert mit den Händen, flucht und hustet, aber Baz steht schon wieder aufrecht, späht, sobald der Laster sich entfernt, durch den Splittnebel. Sie weiß, dass sie sich beeilen müssen. Ihnen bleiben nur wenige Sekunden, bevor die Sicht wieder klar ist und der Fahrer den Leuten beim Betriebshof alles erzählt, was er über sie beide erfahren hat, und dann werden die zwei Männer in Anzügen jede ihrer Bewegungen verfolgen können. Wie
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