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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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um weitere Beschwerden herauszulassen, doch dann klappt er ihn zu, die Augen schwarz und wütend. Demi ist nie böse auf sie und sie auch nicht auf ihn. Dies ist eine Ausnahme, ein erstes Mal. Sie spürt die Anspannung, aber sie weiß, dass sie recht hat. Er muss jetzt auf sie hören, auch wenn er älter ist als sie. Auf der Straße hat er zu bestimmen, denn dort ist er in seinem Element, aber hier sind sie gleich.
    »Woher solln wir überhaupt wissen, ob Raoul hier ist?«
    »Wir finden’s jedenfalls nicht dadurch raus, dass wir ans Tor klopfen und nachfragen. Hast du sie am Betriebshof gesehn? Die Schattenmänner, die da auf die Lastwagen warten?«
    Demi runzelt die Stirn. »Was für Männer?«
    »Mit Gewehren. Señor Moros Männer. Meinst du, es wär schlau, wenn man die nach Raoul fragt?«
    Der Zorn weicht aus seinen Augen. Schulterzuckend wendet er sich ab, blickt zurück zum Betriebshof. Er mag es gar nicht, wenn er derjenige ist, der nicht mehr weiterweiß. »Fay bringt uns um, wenn wir heut Abend nicht zurück sind – das weißt du, Baz.«
    Über Fay hat Baz sich überhaupt keine Gedanken gemacht, außer darüber, wie sie zulassen konnte, dass Raoul einfach so verschleppt wird. »Fay wird niemanden umbringen.«
    »Mich bringt sie um. Sie will, dass ich heute Abend auf Raubtour gehe. In dem schicken Haus, das du und ich jetzt angeblich gerade ausspionieren. Genau das hab ich ihr heute Morgen erzählt. Von über die Brücke fahren und Raoul suchen war nicht die Rede. Und jetzt plötzlich dieser Junge von ihr, in den sie so verknallt ist –« Er bricht ab. »Baz, glaubst du, dass Fay uns beide auch irgendwann mal weggeben würde?«
    »Ich weiß es nicht, Demi.« Sie haben jetzt keine Zeit für so etwas. Sie dreht sich um, als würde der Berg an ihr zerren. »Willst du nun mitmachen oder trampst du zurück? Weil, ich geh jetzt los und such nach Raoul.«
    Er verzieht das Gesicht. »Was glaubst du denn? So’n Mädel wie du würde nicht mal ’n Ei im Hühnernest finden, wenn sie keinen Demi dabei hätte, der ihr beim Suchen hilft.«
    So angespannt sie ist, muss sie doch lächeln. »Na, dann komm. Wir klettern um dieses Ding herum«, sie zeigt auf die eiserne Barriere, »dann kommen wir an den Zaun ran. Vielleicht müssen wir gar nichts weiter tun, als die Leute auf der andern Seite fragen. Die werden uns schon nicht verraten.«
    »Nein«, sagt er, »hab ’n besseren Plan.« Demi muss immer einen besseren Plan haben, aber sie ist einverstanden mit dem Vorschlag, den er macht. Es hat wenig Sinn, wenn sie beide das Gleiche tun. Während sie zum Zaun geht, vielleicht sogar einen Weg hinein und auf den Berg findet, kann er sich rückwärts wenden, zum Betriebshof schleichen und erkunden, was für Sicherheitsvorkehrungen diese Schattenmänner getroffen haben. Falls die Luft rein ist, überquert er den Weg, ist dann gleich beim Fuhrpark. »Schnüffel ich da mal ’n bisschen rum.«
    »Wie ’n Hund.«
    »Kein Hund ist so schlau wie ich«, sagt er. »Ich komm dann hier zu dir zurück. Gib mir ’ne halbe Stunde, und lauf nicht weg.« Er hebt warnend den Finger, bevor er sich umdreht und einen Teil des Weges, den sie gekommen sind, zurückläuft. Sie wartet nicht ab, bis er außer Sicht ist, sondern kriecht sofort die Grabenwand hoch, krabbelt flach auf dem Bauch um das Hindernis herum und gleitet auf der anderen Seite wieder in den Graben zurück. Dann macht sie sich, den Kopf immer unten haltend, auf in Richtung Zaun. Am Rande des Felds, dort, wo ihr Graben auf einen anderen trifft, macht sie halt. Näher heran geht es nicht. Höchstens noch zehn Schritte bis zum Zaun.
    Der Berg erhebt sich hinter dem Sicherheitszaun wie eine riesenhaft angeschwollene Ratte: ein krebsgeschwürartiger, mit Pocken übersäter Schlackenhaufen, in dem Blechfetzen glitzern, glimmende Abfälle vor sich hin stinken, alte Reifen sich zu Stapeln türmen. Zerbrochene Möbel liegen da und Plastik, Plastik und noch mal Plastik, überall Plastik, das wie eine Hundertschaft von Schlangenköpfen in der heiß aufsteigenden Luft flattert und in schleimig verschlungenen Bändern am Drahtzaun hängt.
    Sie klettert aus dem Graben und richtet sich langsam auf, fühlt sich schrecklich ausgesetzt dabei. Vögel fliegen vom Zaun auf und kreisen, raue und wütende Rufe ausstoßend, über ihr. Die Leute, die auf dieser Seite des Berges arbeiten, unterbrechen einer nach dem anderen ihre Tätigkeit und drehen sich zu ihr um. Sie fühlt die Augen in den

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