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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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können sie das vermeiden? Es ist zu weit bis zum Fuhrpark, um dort zwischen all den Lastern und den Geräteschuppen zu verschwinden. Ohnehin müssten sie dafür die Straße überqueren und direkt am Betriebshof vorbeilaufen. Zur Rechten liegen die vertrockneten Baumwollfelder. Da gibt es keinen Schutz außer der einen oder anderen verkümmerten Akazie ...
    Sie packt Demi. Der Graben, der zwischen ihnen und dem Feld liegt, ist so tief, dass sie sich einfach nur bücken müssen, um nicht gesehen zu werden. Tatsächlich gibt es hier sogar ein ganzes Netzwerk von ausgetrockneten Bewässerungsgräben, die sich um jedes einzelne Feld ziehen. Wenn sie Glück haben, können sie darin bis zum Zaun gelangen.
    »Hier lang«, sagt sie, schon halb von der Straße herunter, und reißt an seinem Arm, damit er ihr folgt.
    »Was! Ich dachte, dir ist schlecht. Was ...?« Halb sich sträubend, halb ihrem Ziehen nachgebend, taumelt Demi neben Baz in den Graben. Seine Augen tränen vom aufgewirbelten Sand, seine Hände sind verschrammt und seine Jeans an einem Knie aufgerissen. »Baz! Was machst du denn! Guck doch mal! Wenn du dich im Dreck wälzen willst, hat keiner was dagegen, aber lass mich in Ruhe damit. Der Mann eben hat uns ’ne lange Wanderung erspart und uns von dem Laden hier erzählt. Wir mussten nichts weiter tun, als still sitzen und ’n paar Dollar zahln, um mit Raoul nach Hause zu fahrn. Und jetzt sehn wir deinetwegen echt blöd aus.« Er haut sich aufs Bein und zuckt zusammen. »Wie soll ich meine Arbeit machen mit ’ner kaputten Hand? Kannste mir das mal ... Halt, wo willste hin?«
    Baz bewegt sich, so schnell sie kann, durch den überwucherten Graben. Dornen reißen ihr die Arme auf und verfangen sich in ihrer Kleidung. Sie bleibt möglichst dicht am Boden, stürmt auf Händen und Füßen voran, wie ein Affe. Hinter sich kann sie Demi hören, immer noch grummelnd, aber er folgt ihr. Nur noch ein paar Meter, dann können sie abbiegen und sich von der Straße entfernen, im Zickzack zwischen den Feldern hindurch den Betriebshof hinter sich lassen. Vielleicht wird der Fahrer nicht reden, vielleicht wird man nicht nach ihnen jagen. Vielleicht, vielleicht. Die Sonne brennt auf sie nieder, der schmale Bewässerungsgraben speichert die Hitze wie ein Ofen. Baz fühlt ihr heißes Gesicht anschwellen. Insekten schwärmen aus dem Grasbewuchs heraus, stechen in Arme, Beine und Nacken.
    Ende des ersten Feldes. Sie wuselt weiter nach rechts.
    Immer noch keiner hinter ihnen her.
    Wer wäre auch so verrückt, ihnen nachzulaufen? Warum sollten sich diese Männer in Anzügen dafür interessieren, ob zwei Jugendliche per Anhalter hergekommen sind oder nicht? Baz weiß aber, dass sie sich sehr wohl dafür interessieren, ja, natürlich tun sie das. Niemand besucht den Berg, es sei denn, er hat hier zu tun oder er will Ärger machen. Kinder hinter dem Stacheldraht sind okay, denn die sind Sklaven, die sich durch den Dreck wühlen, aber Kinder vor dem Stacheldraht, Kinder, die Fragen stellen, die bringen Ärger. Und garantiert gibt’s eine hübsche kleine Dollarbelohnung für jeden Schattenmann, der sie schnappt und festhält, denn dann sind’s ja wieder zwei Arbeiter mehr, zwei Sklaven mehr.
    Ende des zweiten Feldes – nach links.
    Immer weiter. Ihr Atem geht stoßweise und keuchend. Ende des Feldes. Wieder um die Ecke – und es geht nicht weiter. Der Graben ist hier mit Beton ausgemauert worden, ein eisernes Tor versperrt den Weg. Sie sinkt an der Seitenwand nieder und Demi lässt sich neben sie fallen. Vorsichtig schiebt sie ihren Kopf über den Grabenrand und checkt die Lage.
    Etwa dreihundert Meter in der Richtung, aus der sie gekommen sind, kann sie gerade eben noch das Dach des Betriebshofs erkennen. Zwei kurze Felder entfernt ist der hohe Drahtzaun und dahinter der stinkende Berg selbst. Sie kann Leute darauf sehen, mit gebeugten Rücken, langsamen, steifen Bewegungen, Köpfe, Hände und Beine in Lumpen gewickelt. Ob es Männer, Frauen oder Kinder sind, kann sie nicht unterscheiden.
    »Baz! Jetzt mach mal langsam. Erklär mir endlich, was los ist. Ich bin mit dir hergekommen. Hab einiges rausgekriegt und ich hab Geld. Sieh her!«
    Sie dreht sich um. Demi hält ein Bündel Geldscheine in der Faust. »Das ist mein Geld. Nicht Fays. Meins. Der Fahrer vorhin meinte, er würd uns helfen, und du rennst einfach davon wie ’ne Ratte. Warum benimmst du dich so verrückt?«
    »Du hast ihm zu viel erzählt.«
    Sein Mund ist schon offen,

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