Diebe
sie dir genauso wichtig wie du ihr?«
»Die!« Er hustet und zuckt dann zusammen. »Baz! Hey, die hab ich gefunden, hab ihr ihrn Namen gegeben – ist doch klar, dass sie nicht ohne mich auskommt, was soll sie ohne mich auf der Straße machen?« Baz verschränkt die Arme und wartet. Er ist angeschossen und liegt in einem Militärkrankenhaus, wo draußen auf dem Flur ein Gefängniswärter sitzt und ihn bewacht, und trotzdem muss dieser Junge sich schon wieder aufplustern. »Also muss ich ständig auf sie aufpassen«, sagt er befriedigt. »So sieht das aus.«
Baz verzieht das Gesicht. Nicht einmal eine Kugel kann ihm das große Maul stopfen. »Aus deinem Kopf kommt mehr heiße Luft als aus der Wäscherei Ching Chang!«
»Nun denn«, sagt Señora Dolucca zu Baz, »ich freue mich, dass du ihn gefunden hast und dass du ihn hier gefunden hast, nicht an diesem anderen Ort. Und ich habe meinen Ring zurück, das wäre also jetzt die Hälfte von dem, was wir vereinbart haben.« Sie steckt ihn sich wieder an den Finger. »Und jetzt erzählst du mir diese Sache über meine Familie, ja?«
»Ja.« Baz zögert. Diese Wahrheit, die sie mitzuteilen im Begriff ist, könnte die große Welle sein, die sie alle hinwegschwemmt, aber sie hat ihr Versprechen gegeben, und diese Frau hat mehr getan, um ihnen zu helfen, als sie sich je hätte erträumen lassen. »Eins müssen Sie noch tun, bitte. Wenn ich Ihnen die Sache erzähle, bringt das mich und Demi in Gefahr. In große Gefahr, verstehn Sie. Sie müssen versprechen, dass Sie nichts weitersagen, Ihrm Mann nicht, Ihrer Tochter nicht, niemand. Nur für eine Weile.«
»Wie lange?«
Wie lange? Sie weiß es nicht. »Zwei Tage«, sagt sie, in der Hoffnung, dass das reichen wird.
Señora Dolucca geht zum Fenster und nimmt sich eine Zigarette. »Zwei Tage«, sagt sie. »Na gut, und jetzt erzähle.« Sie lässt ein silbernes Feuerzeug klicken und inhaliert heftig.
Und so erzählt Baz, während Señora Dolucca nervös an ihrer Mentholzigarette zieht. Sie erzählt, wie sie erfahren haben, dass ihr Junge adoptiert ist, und dass sie wissen, wer seine Mutter ist. Die Frau ist ganz still, hört aufmerksam zu. Sie nimmt die Brille ab, sodass man ihr lädiertes Auge sehen kann. »All das weiß ich«, sagt sie müde. »Kommt noch mehr?« Baz erklärt so schlicht, wie sie kann, was Fay für sie und Demi darstellt und für die anderen Kinder, die für sie arbeiten. »Mein Mann, der Captain«, sagt die Señora mit einem kurzen Lachen, »hilft immerzu irgendwelchen Mädchen von der Straße. Er meint, er würde ihnen eine Chance geben, ein neues Leben anzufangen. Er kannte eure Fay schon, bevor sie an unsere Tür geklopft hat mit dem Baby. Das weiß ich. Er ist, was er ist, aber sie, sie ist zu einer Mutter von Dieben geworden?«
»Ja.« Baz wirft Demi einen Blick zu. »Ihr Sohn sollte froh sein, eine Familie zu haben«, sagt sie, »aber das, was er hat, will er gar nicht. Er will mehr. Er möchte wie seine leibliche Mutter sein. Er möchte Dieb sein.« Sie weiß dies nicht mit Sicherheit, aber sie weiß, dass Eduardo sich bei Fay einschmeichelt, dass er Lügen erzählt, mit ihrer aller Leben spielt. Ganz gleich, wie seine Pläne im Einzelnen aussehen mögen, sie werden nicht zum Wohle dieser Frau ausschlagen.
»Nein!« Señora Dolucca reagiert, als sei sie gestochen worden. »Er ist ein guter Junge, immer nett und freundlich, zu seiner Schwester, zu mir ...«
»Und zu Ihrm Mann?«, sagt Demi. »Steht’s so gut zwischen ihm und Eduardo?«
»Ihr kennt seinen Namen?«, sagt sie, fast zu sich selbst, dann schüttelt sie den Kopf. »Ich weiß nicht, Jungen und ihre Väter, manchmal gibt es da Probleme in diesem Alter.«
Baz wartet einen Moment, dann fährt sie fort. »Er hat geplant, dass wir in Ihr Haus einbrechen. Hat es mit Fay geplant. Wir sollten das ganze Geld von Ihrm Mann nehmen, sein schmutziges Geld, das, was ihm die Verbrecher gegeben habn. Wissen Sie. Und dann, glaub ich, hat er auch geplant, dass wir gefangen werden.« Sie blickt zu Boden, möchte nicht in das verletzte Gesicht dieser Frau sehen.
»Warum sollte er das tun?«
Baz zuckt mit den Schultern.
»Gibt es noch mehr?«
Bevor Baz antworten kann, stößt Demi ein leises Stöhnen aus und packt sie am Handgelenk, und gleich bekommt sie es wieder mit der Angst zu tun. »Was ist los? Wo tut’s dir weh, Demi? Du hast uns nichts weiter gesagt.«
Er zieht sie zu sich heran und flüstert leise: »Schick sie weg, Baz.« Dann macht er
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