Diebe
die Augen zu.
»Die Wunde tut weh«, sagt sie zu Señora Dolucca. »Er muss schlafen. Dann Medikamente nehmen.«
»Ich sollte gehen. Ich muss meine Tochter abholen, aber ich hatte versprochen zu helfen.«
»Sie ham geholfen.«
»Nein, ich meine, ihn, deinen Bruder in Sicherheit zu bringen. Und hier ist es nicht sicher.« Sie stochert in ihrer Handtasche. »Ich kann dir das hier geben. Das könnte eine Hilfe sein.« Sie gibt Baz eine Karte mit einer Telefonnummer und einen Hundertdollarschein und kurz darauf noch zwei weitere.
Können vor Geld kaum aus den Augen gucken, denkt Baz, und ohne zu zögern nimmt sie die Karte und die Scheine entgegen. Vielleicht kann sie die Wache bestechen, vielleicht ein Auto kaufen, um sie beide an einen sicheren Ort zu bringen.
Nachdem diese Frau so ruhig war bei ihrem Treffen und dann im Schloss alles unter Kontrolle hatte, ist es seltsam, sie jetzt nervös zu sehen, aber tatsächlich, genau das ist sie. Sie weiß nicht, was sie ihnen noch sagen soll. Vielleicht hat sie mehr erfahren, als sie erwartet hat. Oder vielleicht war es etwas, das sie zwar vermutet hat, aber lieber nicht bestätigt haben wollte. Schon möglich, dass sie ihnen helfen möchte, vor allem aber möchte sie sich selbst helfen. Sie verspricht, zurückzukommen. Sie sagt, sie werde versuchen mit ihrem Mann zu sprechen, aber das klingt nicht sehr überzeugend. Baz hat schon etliche junge Frauen gesehen, die die gleiche Verfärbung am Auge hatten wie Señora Dolucca. Sie hat den Captain im Fernsehen erlebt, und sie kann sich gut vorstellen, dass er ein Mann ist, der seine Frau verprügelt.
Als die Señora gegangen ist, betrachtet Baz die Geldscheine in ihrer Hand und muss fast lachen. Ihr ganzes Leben lang haben sie und Demi alles riskiert, um solches Geld zu stehlen, und jetzt hält sie es in der Hand, ohne irgendwas dafür getan zu haben. Nein, das stimmt nicht: Sie hat etwas zurückgegeben, das sie gestohlen hatten, und dafür haben sie mehr Geld bekommen, als sie je besessen hat.
Sie wendet sich zu Demi zurück, und Demi, der eben noch auf halb tot gemacht hat, sitzt aufrecht im Bett in seinem weißen Krankenhauskittel, grinst und ist dermaßen zufrieden mit sich, dass er, wäre er ein Hahn, wohl anfangen würde zu krähen. »Wie viel hat sie dir gegeben, Baz? Bist ’ne sagenhafte Schnorrerin. Hab noch keinen gesehn, der den Leuten so das Geld aus der Tasche leiert.«
»Ich hab einen Deal mit ihr gemacht, das ist alles. He«, sagt sie, als Demi die Decke zurückschlägt und seine Beine aus dem Bett schwingt. »Lass das!«
»Wenn du glaubst, dass ich hier Wurzeln schlagen will, bist du doch nicht so schlau, wie ich eben dachte.«
Sein ganzer linker Arm ist fest verbunden. Er muss stark geblutet haben, sie kann orangefarbene Flecken durchschimmern sehen.
Er hält ihn stolz hoch. »Der Doktor meint, jeder Schuss kann tödlich sein, aber das hier war nur ’ne kleine Kugel. Siehste? Ist nichts. Nichts, was mich abhalten kann, aufzustehn, Baz. Haste dir irgendwas überlegt, wie wir hier wegkommen?«
»Was! Glaubst du, ich hätt draußen ’n Wagen stehen?«
»Hab ’n Motorrad versteckt. Wenn du das herholst, kann uns keiner aufhalten.«
Das sind Traumgespinste. Dies ist zwar nicht das Schloss, aber die Fenster sind vergittert, der Flur abgesperrt und bewacht, und so gibt es für Demi kein Rauskommen, es sei denn, er hätte gelernt, sich in eine Rauchwolke zu verwandeln, sodass er zum Beispiel durch einen Luftschacht entweichen könnte. Die Uniformierten werden ihn über kurz oder lang holen kommen, und wenn sie wollen, stecken sie ihn dann ins Schloss. Mit dem Geld kann sie versuchen, den Wächter zu bestechen, aber so etwas hat sie noch nie gemacht – und würde der Mann, wenn er das Geld sieht, es ihr nicht einfach wegnehmen? So würde es jedenfalls im Barrio laufen. »Was ist das für’n Deal, den der Mann dir vorgeschlagen hat?«, sagt sie. »Hoffentlich was Bessres als dein Traum, dass du einfach aufstehen und hier aus der Tür rausspaziern kannst?«
»Weißt du, wer vor dir zu Besuch war?«
Baz wartet.
»Fays Junge war’s.«
Nickend nimmt er ihre Überraschung zur Kenntnis. Dann erzählt er ihr, wie Eduardo ins Zimmer marschiert gekommen ist, als sei er der Präsident höchstpersönlich. Er hat dem Wächter irgendeinen Schein unter die Nase gehalten, worauf dieser vor ihm salutierte und sogar anbot, ihm einen Tee zu holen. Eduardo war’s, der ihm den Deal angeboten hat: Demi brauche weiter
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