Diebe
nichts zu tun, als zu gestehen, dass der Einbruch von Moro geplant gewesen sei, mehr nicht. Ganz einfach. Und dann werde Eduardo seine Freilassung regeln.
»Das kann er?«
Demi zuckt mit den Schultern. »Was hab ich zu verliern? Wenn die kommen und mich befragen, erzähl ich ihnen, was er mir gesagt hat. Was kümmert es mich, wenn Moro dafür bluten muss? Uns liegt doch nix an diesem Mann. Er hat sich Raoul und Paquetito geschnappt, vergiss das nicht.«
Baz versucht zu begreifen, warum das für Eduardo so wichtig ist. Natürlich will er nicht, dass Demi die Wahrheit sagt, die Wahrheit, die Señora Dolucca jetzt kennt, sondern er will offenbar ganz großen Ärger im Barrio stiften. Wenn der Captain glaubt, dass Moro ein falsches Spiel mit ihm treibt, dann wird er diesem Mann vielleicht das Handwerk legen wollen. Sie sieht Demi an. »Eduardo will, dass es Krieg gibt zwischen der Polizei und Moro, ja?«
»Nehm ich an.«
»Und dann will er das Barrio selbst übernehmen. Ob Fay das alles weiß, was glaubst du?«
Demi macht sein »Mir-doch-egal«-Gesicht, aber Baz lässt nicht locker. Sie will es wissen. Wenn sie überleben wollen, müssen sie verstehen, was läuft. Der Krieg wird alle in Mitleidenschaft ziehen, nicht nur die Gangster und die Greifer, sondern auch Leute wie Mama Bali, jeder im Barrio wird zu Schaden kommen. Immer wieder hat es Forderungen gegeben, das Barrio abzureißen, es dem Erdboden gleichzumachen und etwas Neues zu bauen. Die Zeitungen waren voll von solchem Gerede, aber es ist nie etwas danach gekommen. Ist es das, worauf Eduardo abzielt? Nein, er will nur Moros Platz einnehmen und selbst der Herrscher sein. Aber er ist zu jung – wer wird für ihn arbeiten wollen? Niemand, es sei denn, er erweist sich als noch skrupelloser, als noch schlauer und besser organisiert als Moro.
Und vielleicht ist er das auch, überlegt Baz. Er weiß genauso viel wie der Captain. Er weiß, wer wen bezahlt und wofür. Und jetzt hat er, dank des Einbruchs, auch eine Kriegskasse, um seine eigenen Schattenmänner zu bezahlen. Auch über Fay macht sie sich Gedanken. Fay wollte nie etwas anderes als ihre kleinen Geschäfte machen und dann irgendwann den Weg aus dem Slum herausfinden, aber durch diesen Jungen hat sich die Lage geändert. Jetzt will sie ihn , sie will ihren Jungen, will eine richtige Mutter sein. Baz glaubt, dass es dafür zu spät ist. Wenn es etwas gibt, worauf Eduardo ihrer Ansicht nach gut verzichten kann, dann ist es eine Mutter wie Fay. Er wird sie benutzen, so wie er Demi und Baz benutzt hat, und sie sich dann vom Hals schaffen. Hat sie ihn nicht weggegeben? Das kann der Engelsjunge ihr bestimmt nicht verzeihen. Er wird sie alle bestrafen: die Familie Dolucca, Fay und vielleicht sogar die ganze Stadt. Sie und Demi sind für ihn nur Fliegen, die man im Vorbeigehen erschlägt. Dies ist die Ansicht, zu der sie gelangt und die sie Demi jetzt mitteilt. »Keine Chance, dass Eduardo dich hier lebend rauslässt«, sagt sie. »Du weißt zu viel. Ist vielleicht besser, wenn du gar nichts sagst, Demi. Halt ihn hin, und wir sehen zu, dass wir dich hier rauskriegen ...«
»Baz, ich hab ihm schon gesagt, ich tue, was er möchte, und zeig mit dem Finger auf Moro. Und ich hab mir überlegt: Es ist gut so, Baz. Vielleicht hat er all diese Leute in der Tasche, den Captain zum Beispiel, aber ich wette, die warten alle nur auf die Chance, ihn abzusägen. Und jetzt ist es so weit. Jetzt ist es nicht mehr aufzuhalten. Es hat schon angefangen, Baz. Jeden Moment rückt die Polizei an, um Moro zu holn. Dann gibt’s Krieg im Barrio. Aber was für einen. Moros Leute werden kämpfen. Und alle laufen durcheinander wie die Hühner.« Er ist plötzlich ganz aufgeregt. »Das ist vielleicht unsere Chance, Baz. Zeit, was andres zu machen, das willst du doch, oder?« Sie nickt. »Fay wird nicht wissen, was sie tun soll«, fährt Demi fort. »Wir können nehmen, was uns gehört, Baz. Du hast den Ring genommen. Wir nehmen was von dem, was sie uns schuldet, fangen neu an. Machen vielleicht ’n Geschäft auf.«
Er ist schon wieder dabei, fantastische Zukunftsbilder zu malen, aber in der Wirklichkeit hat er immer noch ein Loch im Arm, ein verknackstes Bein und Gitter vor dem Fenster.
Andererseits: Was hätten sie sonst für eine Wahl? »Wann kommt Eduardo wieder zu Besuch?«
An der Tür gibt es ein Geräusch, hastig rollt Demi sich ins Bett zurück und schafft es gerade eben, flach hingestreckt dazuliegen, als der Wächter
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