Diebe
hereinkommt. Der macht einen recht gehetzten Eindruck, sein rundes Gesicht glänzt vor Schweiß. »Ist Zeit«, sagt er. Er wirft einen Blick auf Demis dunklen Umriss und zeigt dann auf Baz. »Du musst gehn. Frau vom Captain hat mich gebeten, dass du noch ’n bisschen bleiben darfst, aber jetzt schnell raus, okay. Der Dieb hier hat noch ’n Besucher.« Er wischt sich mit dem Hemdsärmel übers Gesicht. »Der Captain kommt gleich. Möcht echt gern wissen, was dieser Junge gemacht hat, dass er so viel Besuch kriegt.«
»Er hat einfach nur Pech gehabt«, sagt Baz. Sie verlässt das Zimmer, ohne sich noch einmal zu Demi umzudrehen, und folgt dem Wächter durch den Flur, allerdings nicht dahin, wo sie hergekommen sind, sondern in entgegengesetzter Richtung. Am Ende des Flurs befindet sich ein Eisentor, das der Wächter aufschließt. Der Schlüssel, vermerkt Baz, steckte lose in seiner Jackentasche. Wo bewahrt dieser Mann wohl seine Schlüssel auf? In seinem kleinen Büro? Oder nimmt er sie vielleicht mit nach Hause? Wie sie so überlegt, kommt ihr eine Idee.
»Señor«, sagt sie, »ich weiß, Sie haben’s eilig, aber ...« Sie hält einen der Scheine in der Hand, die ihr Señora Dolucca gegeben hat, einen großen Schein, einen Hunderter.
Der Mann beäugt ihn gierig. »Hast plötzlich ’ne Zunge, ja?«, sagt er, wirft nervös einen Blick über die Schulter, als könnte der Captain schon dastehen und ihn beobachten, und schiebt den Schein dann rasch in die Tasche.
»Lassen Sie mich später noch mal rein. Ich bring Ihnen ’n bisschen was zu essen mit, was Süßes.«
»Okay.«
»Vielleicht kocht die Frau vom Captain Ihnen was, ist wahrscheinlich eine der besten Köchinnen der Stadt.« Sie legt ein bisschen Weinerlichkeit in ihre Stimme. »Sie mögen süße Sachen, ja? Und dann lassn Sie mich wieder zu meim Bruder. Abgemacht?«
»Okay. Okay.«
»Ham Sie hier den ganzen Tag Dienst?«
»Klar. Die ganze Zeit. Langer Tag. Will sonst keiner diesen Job machen, aber kranke Leute eingeschlossen zu halten, ist doch gar nicht so schwer.«
»Abends gehn Sie nach Hause, wett ich.«
»Abends geh ich nach Hause. So, und jetzt geh, bevor ich den Job deinetwegen verlier. Dann komm morgen um die gleiche Zeit wieder. Wenn der Junge noch hier ist, lass ich dich rein. Gleiche Zeit wie heute, verstanden?«
Sie zwingt sich, nicht zu lächeln. Natürlich. Drei Uhr, das ist die Zeit, wenn seine Lieblingssoap läuft. Darum hat er sie heute Nachmittag so lange in Ruhe gelassen – weil er an den Fernseher gefesselt war. Drei Uhr nachmittags. Das ist okay. Dann ist es ruhig in der Stadt, die Geschäftsleute essen zu Mittag, halten ein Schläfchen.
»Danke«, sagt sie, windet sich um seinen Bauch herum und durch die Tür. Er schließt hinter ihr ab und eilt zurück in sein Büro, knöpft sich unterwegs die Jacke zu.
Das Tor liegt am oberen Ende einer steilen Treppe, auf der sie rasch nach unten geht. Im Erdgeschoss befindet sich eine kleine Verladezone, die sich auf einen Hof öffnet, wo die Lkws vorfahren können, aber im Moment ist hier kein Betrieb und das hintere Zugangstor ist verschlossen. Baz schlüpft nach draußen und läuft rechtsherum am Gebäude entlang, bis sie wieder beim Haupteingang ankommt, wo gerade ein Krankenwagen neben einem parkenden Polizeiauto anhält. Zwei Beamte lehnen rauchend am Auto, offenbar warten sie auf den Captain, der in diesem Moment, so vermutet sie, bei Demi ist.
Sie geht, langsamen Schrittes jetzt, auf das Tor zu. Zwei Ärzte überholen sie. Der Wachmann sieht nicht einmal richtig hin, öffnet ihnen automatisch die Schranke und lässt auch Baz anstandslos passieren.
Nachdem sie das Gelände verlassen hat, überquert sie die Straße und setzt sich an einen der Tische, die dort vor dem Café stehen. Der Betreiber, ein breitschultriger Mann mit einem borstigen Schnauzbart, beäugt sie misstrauisch, doch sie bittet höflich um einen eisgekühlten Fruchtsaft und legt einige Münzen auf den Tisch, damit er sieht, dass sie bezahlen kann. Er nickt und bald darauf wird das Getränk gebracht. Unauffällig stopft sich Baz die Geldscheine, die sie von Señora Dolucca bekommen hat, in den Hosenbund, und dann blickt sie, während sie bedächtige Schlucke aus ihrem Glas nimmt, über die Straße zum Tor des Militärkrankenhauses und denkt nach.
Angenommen, Demi folgt Eduardos Anweisungen und erzählt dem Captain die Geschichte, die ihm Eduardo vorgesagt hat – dass Señor Moro den Diebstahl geplant hat –,
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