Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

ihren Leib geschlungen und
schüttelte den Kopf. Er beschloß, das, was er ihr gerade
hatte sagen wollen, für sich zu behalten. Er richtete seine
Aufmerksamkeit wieder auf Sinajhals Gürtelschnalle, nahm ihm den
Gürtel ab und stand auf. Kurz darauf hatte er ihn sich selbst
umgelegt.
    »Die Beute des Siegers, ist es das?« fragte
Mignureal.
    »Genau das, Mignureal. Noch vor ein paar Minuten hast du mich
mit Freuden einen Held genannt. Wenn dir das hier nicht gefällt,
hältst du besser den Mund darüber. Und auch darüber,
die beiden zu begraben.«
    Sie preßte die Lippen zusammen, während er die beiden
Armbrüste aufsammelte. Als er sein Messer aus der Brust des
dicken Mannes zog und es sorgfältig an dessen Ärmel
abwischte, wandte sie sich ab. Nachdem er es eingehend untersucht
hatte, wischte er es noch einmal ab, bevor er es wieder in seine
Scheide schob. Er hatte schon ein gutes Wurfmesser im Kampf gegen die
Tejana verloren. Auch wenn er genügend silberne
Kaisermünzen besaß, dachte er nicht daran, ein weiteres
gutes Messer zu verschwenden, wenn es sich vermeiden ließ.
Damals in Freistatt hatte er sein erstes Geld für sein erstes
Messer ausgegeben, und dabei spielte es keine Rolle, woher er das
Geld hatte. Nun hatte er es verloren, denn er hatte es in der
Dunkelheit überhastet auf einen Tejanit geschleudert und sein
Ziel dabei verfehlt.
    Was dieses Messer betraf, nun, es war ein Geschenk von Klauer, dem
armen Klauer Eidschwörer, den man gehängt hatte und der
für Hanse Lehrmeister, Freund und Vaterersatz gewesen war. Auch
wenn der Dieb, den man Nachtschatten nannte, so tat, als sei er
gefühlskalt – weil er glaubte, daß er es sein sollte
–, waren Schein und Wirklichkeit doch zwei verschiedene Paar
Schuhe.
    Wunder strolchte unterdessen herum und sah ganz so aus, als
bestünde das wahre Vergnügen für ihn darin, wenn eine
weitere Bedrohung auftauchen würde. Regenbogen saß ruhig
da und beobachtete ihn. Der Onager, die Pferde und auch der schwarze
Wallach mit den weißen Fesseln, der dem verstorbenen Sinajhal
gehört hatte, mampften zufrieden ein wenig Gras und ein paar
Blätter, die sie hier und da von Bäumen und Büschen
rupften.
    »Sein Sattel gefällt mir, aber ich wette, sein Klepper
ist nicht einmal halb so gut wie das alte Eisenmaul«,
nörgelte Hanse vor sich hin.
    »Er wird uns bestimmt wieder ganz leicht einholen«,
sagte Mignureal in einem Tonfall, den schlechte
Geschichtenerzähler ›verschnupft‹ genannt
hätten.
    Hanse machte sich nicht die Mühe, ihr einen Blick zu
gönnen. Er beschloß, den Inhalt der Satteltaschen oder der
Rolle, die hinter dem Sattel des Rappen festgezurrt war, nicht zu
untersuchen. Nicht gleich jetzt. Mignureal wäre nur noch
verstimmter gewesen, und wahrscheinlich hätte sie irgend etwas
gesagt. Sinajhals Habseligkeiten, sofern er welche besaß,
konnten warten. Hanse hatte kein schlechtes Gewissen, er fühlte
sich im Recht. Wie kam es nur, daß seine erwählte Frau es
wunderbar fand, daß er zwei Menschen getötet hatte, und
sich doch bei diesem Anblick beinahe übergeben mußte? Und
wie konnte sie erst recht etwas dagegen haben, daß er sich ihr
Pferd und ihre Waffen nahm?
    »Hanse, hör doch! Nein, sieh!«
    Sie hatte das Hufgetrappel gehört, kurz bevor das reiterlose
graue Pferd hinter einer Biegung des Pfades auftauchte. Es kaute auf
etwas herum, das ihm aus dem Maul hing und trug immer noch den
kaputten Sattel. Hanse lachte glücklich und streichelte den Kopf
und den Hals des Tieres. Dabei flüsterte er ihm zärtliche
Worte zu.
    »Also…«, begann er, doch im letzten Moment hielt er
es für besser, den Rest des Satzes nicht auszusprechen. Jetzt
haben wir doch noch ein Pferd dazubekommen! Es hatte keinen Sinn,
wenn Mignureal ihm wieder einen dieser anklagenden Blicke zuwerfen
würde. Außerdem zog sie sowieso schon einen Schmollmund.
»Also… bist du zurückgekommen, um zu sehen, ob wir
dich noch mögen, hmm? Nun, ich glaube, ich würde auch
rennen, wenn Wunder mit zwanzig oder dreißig Klauen auf meinem
Rücken landen würde.«
    »Miewrgll?«
    »Aye, Wunder, dich meine ich. Du bist ein guter Kater,
Wunder. Ich weiß gar nicht, wie ich diese ganzen Jahre ohne
dich zurechtgekommen bin! Ja, sprich nur weiter, Junge. Ein Mann mag
Gesellschaft, besonders die eines Waffenkameraden, der ihm geholfen
hat, Frauenzimmer zu retten. Rede noch ein bißchen mehr mit
mir.«
    Verdau das, sagte er in Gedanken zu Mignureal und bemerkte,
daß sie schon dabei war und es