Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

ihr überhaupt nicht gefiel.
Er untersuchte den Sattel des Grauen. Falls er noch zu reparieren
war, wußte Hanse jedenfalls nicht wie. Er beschloß, den
Sattel vorerst auf dem Rücken des Tieres zu lassen und wieder
einmal das Pferd zu wechseln. Er würde vorerst Sinajhals Rappen
reiten.
    »Heißt du Schwarzer?« fragte er und stellte fest,
daß das Pferd nicht darauf reagierte. Andererseits reagierte
auch das andere Tier, das er ursprünglich geritten und das er
Schwarzer genannt hatte, nicht auf den Namen. Der Onager dagegen hob
den Kopf und peitschte mit dem Schwanz. »Nein, Blödarsch,
du heißt Enas, erinnerst du dich nicht mehr?«
    Der Onager, Ils sei Dank, antwortete nicht.
    »Hanse…?«
    »Hmmm?« machte er und untersuchte betont geschäftig
die Sattelgurte, Halfter und das Gepäck, während er es
sorgfältig vermied, Mignureal anzusehen.
    »Wenn ich dir dabei helfe, können wir dann, äh,
diese Männer irgendwie auf die Pferde hieven und sie…
irgendwo anders hinbringen?«
    Er richtete sich auf und drehte sich zu ihr um, einen Daumen in
seinen neuen Schwertgurt gehakt. »Ich will dir sagen, wovor ich
Angst habe, ich meine, was mir Sorgen macht, Mignue. Nehmen wir an,
es weiß nicht jeder, daß diese beiden Kerle Diebe waren,
oder es glaubt sogar irgend jemand, sie seien nette, anständige
Bürger gewesen. Dann kommen wir auf Sinajhals Pferd
dahergeritten und schleppen seine Leiche auf einem anderen Pferd mit.
Kannst du dir vorstellen, daß dann etwas Unangenehmes passieren
könnte?«
    Sie dachte darüber nach und sah ihm dabei mittlerweile auch
wieder direkt in die Augen.
    »Hanse, ich glaube nicht, daß sich irgend jemand
ausführlich mit dem Mann unterhalten wird, der… der die
Karriere dieser beiden beendet hat und Sinajhals Schwert trägt.
Und nebenbei, was ragt denn da aus der Stirn des anderen Mannes? Es
ist doch offensichtlich, daß Sinajhal seinen Partner
getötet hat, auch wenn es nur ein Unfall gewesen ist. Wie
wäre es, wenn wir auf unseren eigenen Pferden von hier
fortreiten und die Armbrüste hier zurücklassen würden?
Oder wenn wir die eine Armbrust Sinajhal wieder in die Hand
drückten?«
    Hanse blickte sie an und wußte, daß sie recht hatte.
Er war beeindruckt, und es war mehr als das. »Mignureal, ich
liebe dich.«
    Sie blinzelte, schenkte ihm ein warmes Lächeln und eilte zu
ihm. Beide schlangen die Arme umeinander, und es war eine ausgiebige
und herrliche Umarmung.
    »Ich liebe dich, Hanse, oh, ich liebe dich.«
    Nachdem ungefähr eine Minute verstrichen war, fragte er:
»Äh… könntest du mir dabei helfen, Sinajhal
diesen Gurt und die Scheide wieder umzuschnallen?«
    Natürlich half sie ihm. Als er die Gurtschnalle wieder
über der Hüfte des Toten schloß, sagte sie: »Es
gehört dir, natürlich, du hast es ehrlich im Kampf gegen
einen Mann verdient, der versucht hat, dich mit einer Armbrust in den
Rücken zu schießen. Hanse… ich habe mein ganzes Leben
zu Hause mit meiner Familie verbracht. Ich dachte, ich wäre
schon erwachsen, weil ich immer für meine Geschwister gesorgt
habe. Aber das hat mich nicht auf all das hier vorbereitet. Es tut
mir leid, daß ich so überempfindlich und so dumm war. Mein
Magen hat sich immer wieder umgedreht, und ich dachte, ich
müßte mich jeden Augenblick übergeben.«
    Hanses Schnauben hatte eigentlich ein Lachen werden sollen.
»Ich auch. Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich
nicht in der nächsten Minute übergeben muß.«
    »Ich hatte so eine furchtbare Angst! Ich habe noch nie in
meinem Leben eine so fürchterliche Angst ausgestanden. Um dich,
Liebling. Ich war ganz einfach sicher, daß ich dich sterben
sehen würde, und ich versuchte mir die ganze Zeit einzureden,
daß das alles nicht wirklich geschah. Und dann hat er…
dann hast du… aber dann hast du ihn einfach angegriffen,
als ob du ein Schwert gehabt hättest und er nicht auf einem
Pferd sitzen würde!«
    Ich kann das selbst noch gar nicht richtig glauben, dachte
er, aber das sprach er nicht aus. Und ich kann es erst recht nicht
begreifen. Mir ist gar nicht bewußt geworden, daß das
ganze Training und die Übungen mit Niko mich so gut gemacht
haben! Ganz abgesehen davon, daß ich so verrückt war anzugreifen, anstatt mich zu ducken oder zu versuchen, ein
Messer oder einen Wurfstern zu schleudern! Ich kann anscheinend noch
besser mit Waffen umgehen oder ihnen besser ausweichen, als ich
dachte.
     
    »Mein Wunsch besteht aus drei Teilen«, hatte Hanse an
jenem Abend in den