Diebin der Nacht
spöttischen Ton an. »Sie sind ganz schön weit von der Fifth Avenue entfernt, Mr. Mountain Mover.«
»Vielleicht«, antwortete Rafe. Sein Kopf wurde klarer und seine Faszination für sie ging rasch in Empörung über. »Aber ich wette, dass ihr drei nicht sehr weit vom Ludlow- Street-Gefängnis entfernt seid.«
»Wenn wir deine Meinung brauchen«, fuhr der Mann, der neben ihr stand, ihn an, und sein Gesicht verzerrte sich vor Wut, »werden wir sie schon aus dir rausprügeln. Her mit deiner Brieftasche und deiner Uhr. Und versuch hier keinen deiner Salontricks.«
Rafe zog seine schweinslederne Brieftasche und seine goldene Uhr mitsamt der Kette hervor und reichte ihm beides herüber.
»Den Mantel ebenfalls, Baron«, fügte die Frau hinzu, während ihre kalten, aber hinreißenden Augen sich vor Heiterkeit erwärmten.
»Baron?«, wiederholte er höhnisch, als er seinen Überzieher abstreifte. »Habe ich nun sogar einen Titel erworben?«
»Ja. Sie sind einer der Größten im Adelsstand der Räuberbarone.«
»Wenn ich der Räuber bin, dann solltet vielleicht ihr drei eure Hände hochheben und nicht ich.«
»Er versucht nur, sich Mut zu machen«, spottete der Mann auf dem Kutschbock. »Er überspielt seine feige Angst.«
»Oh, der hat keine Angst«, antwortete die Frau, während sie im Licht der Laterne eingehend sein Gesicht betrachtete. »Mr. Belloch ist weder zaghaft noch ängstlich. Dieses spöttische Lächeln, das er im Gesicht trägt, ist nicht aufgesetzt. Er denkt gerade daran, wie gerne er uns drei quälen würde.« Sie gab ein boshaftes Lachen von sich.
»Madam, Sie können ja Gedanken lesen! Zweifelsohne ist eine Frau mit Ihrer offensichtlichen Schönheit und Kultiviertheit zu etwas Höherem geboren als zu gewöhnlicher Dieberei?«
Ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Das verletzte Kind, das er zuvor in ihren Augen gesehen hatte, versteckte sich, ganz so, als ob es gewohnt sei, sich im Dunkeln zu verbergen.
In genau diesem Moment wurde Rafe eines klar: Diese Frau wurde nicht gern daran erinnert, dass sie zu etwas Höherem geboren war. Das war ihr wunder Punkt.
»Dies, Mr. Beiloch«, versicherte sie betont kühl, während sie seinen Mantel über ihren Arm drapierte, als wäre er eine Samtdecke, »ist sehr viel gewinnbringender, als Akkordarbeit in einer Bekleidungsfabrik zu verrichten.«
»Du hast gut reden Belloch«, spottete der Mann auf dem Kutschbock mit einer Stimme so ätzend wie Säure, während er das Messer näher an Wilsons Kehle heranführte. »Euresgleichen versteckt sich in der Wall Street und lässt die Banken die Drecksarbeit tun. Wir berauben unsere Opfer wenigstens auf ehrbare Weise, von Angesicht zu Angesicht.«
Rafe zog es vor, die Zähne zusammenzubeißen anstatt eine scharfe Antwort zu geben. Er machte sich keine Illusionen über die Bereitschaft der beiden Männer, sie zu töten. Stattdessen konzentrierte er sich lieber darauf, sich das Gesicht der verwegenen Schönheit genauer anzusehen. Er prägte sich jedes ansprechende Merkmal ins Gedächtnis ein - zumindest diejenigen, die nicht hinter der Maske versteckt waren. Ihre schöne Stirn, die wohlgestaltete Linie ihrer Nase und die üppigen Lippen. Er würde sie wiederfinden. Ihre Entlarvung würde ihm ein Vergnügen sein.
Vielleicht starrte er sie zu eindringlich an, denn plötzlich schienen ihre Augen wieder wie Eiskristalle zu blitzen. Sie sagte frech: »Hören Sie nicht beim Mantel auf, Mr. Belloch. Ziehen Sie auch den Rest Ihrer Kleidung aus. Dafür wird es beim Lumpenhändler ein paar gute Pennys geben.«
»Den Rest...? Das kann doch bei Gott nicht Ihr Ernst sein?«
Rafe zuckte zusammen, als die Mündung der Dragonerpistole sich hart auf sein Brustbein drückte. »Du hast doch gehört, was die Lady gesagt hat!«
Er schluckte seine Wut hinunter und sagte scharf: »Denken Sie, dass ich Ihre Marionette bin?«
»Ich denke in der Tat, Mr. Belloch. Sie sind ohne Zweifel ein stolzer und gefährlicher Mann. Aber kein Mann ist gefährlich, wenn er nackt ist«, antwortete sie und lachte verführerisch
»Spricht da Theorie oder Erfahrung?«
Erneut schaute sie weg. »Ich will nur sichergehen, dass der erste Ort, den Sie aufsuchen werden, ihr Zuhause ist. Und nun entkleiden Sie sich.«
»Ich benötige einen Stiefelknecht«, verlangte er missmutig. »Diese Stiefel sind neu und sie sind noch eng-«
»Die Pest soll ihn holen!«, platzte es aus dem Mann auf dem Kutschbock heraus. »Ich werde den Bastard
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