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Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Titel: Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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›weil ich sterbe‹.«
    »Aber er ist mein Bruder«, wandte ich ein.
    »Ich weiß«, sagte Morrie. »Deshalb tut es weh.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich Peter, als er acht Jahre alt war, sah sein lockiges blondes Haar, das wie feuchte Wolle auf seinem Kopf klebte. Ich sah uns, wie wir im Garten miteinander rauften, wobei das feuchte Gras die Knie unserer Jeans durchweichte. Ich sah ihn vor dem Spiegel Lieder singen, wobei er eine Bürste als Mikrofon vor sich hinhielt, und ich sah, wie wir uns in die Dachkammer zwängten, wo wir uns als Kinder immer versteckten und die Geduld unserer Eltern testeten, die uns zum Abendessen an den Tisch holen wollten.
    Und dann sah ich ihn als den Erwachsenen, der sich innerlich von uns entfernt hatte, dünn und zerbrechlich, das Gesicht ausgezehrt von der Chemotherapie.
    »Morrie«, sagte ich, »warum will er mich nicht sehen?«
    Mein alter Professor seufzte. »Es gibt keine festen Vorschriften für Beziehungen. Sie müssen auf liebevolle Weise ausgehandelt werden, und man muß Raum darin lassen für beide Parteien, für das, was sie wollen und was sie brauchen, was sie tun können und wie ihr Leben verläuft.
    Im Geschäftsleben verhandeln die Leute, um zu gewinnen. Sie verhandeln, um das zu bekommen, was sie wollen. Vielleicht bist du allzusehr an ein solches Vorgehen gewöhnt. Liebe ist anders. Liebe bedeutet, daß dir die Situation eines anderen Menschen genauso am Herzen liegt wie deine eigene.
    Du hattest diese ganz besonderen Zeiten mit deinem Bruder, und jetzt fehlt dir, was du damals hattest. Du willst sie zurückhaben. Du willst, daß sie nie aufhören. Aber das ist ein Aspekt des Menschseins. Hör auf, erneuere, hör auf, erneuere.«
    Ich sah ihn an. Ich sah all den Tod auf der Welt. Ich fühlte mich hilflos.
    »Du wirst einen Weg zurück zu deinem Bruder finden«, sagte Morrie.
    »Woher weißt du das?«
    Morrie lächelte. »Du hast mich gefunden, oder?«
     
     
     
    »Neulich habe ich eine hübsche kleine Geschichte gehört«, sagt Morrie. Er schließt für einen Moment die Augen, und ich warte.
    »Okay, in der Geschichte geht es um eine kleine Welle, die auf der Oberfläche des Ozeans entlanghüpft und unglaublich viel Spaß hat. Sie genießt den Wind und die frische Luft, bis sie bemerkt, daß vor ihr noch andere Wellen sind, die alle an der Küste zerschellen.«
    »Mein Gott, das ist ja schrecklich«, sagt die Welle. »Wenn ich mir vorstelle, was mit mir passieren wird!«
    Da kommt eine andere Welle vorbei. Sie sieht die erste Welle, die grimmig dreinschaut, und fragt: »Warum siehst du so traurig aus?«
    Die erste Welle sagt: »Du verstehst überhaupt nicht, was los ist! Wir werden allesamt an der Küste zerschellen! Wir, alle Wellen, werden nichts sein! Ist das nicht schrecklich?«
    Die zweite Welle sagt: »Nein, du verstehst nicht. Du bist nicht eine Welle, du bist ein Teil des Ozeans.«
    Ich lächle. Morrie schließt wieder die Augen.
    »Ein Teil des Ozeans«, sagt er, »ein Teil des Ozeans.« Ich schaue zu, wie er atmet, ein und aus, ein und aus.



Der vierzehnte Dienstag
Wir verabschieden uns
    Es war kalt und feucht, als ich die Stufen zu Morries Haus hinaufstieg. Plötzlich nahm ich Kleinigkeiten wahr, Dinge, die ich all die vielen Male, als ich ihn besucht hatte, nicht bemerkt hatte. Die Form des Hügels. Die Steinfassade des Hauses. Die Pachysandrapflanzen, das niedrige Gebüsch. Ich ging langsam, nahm mir Zeit, trat auf tote, nasse Blätter, die unter meinen Füßen platt gedrückt wurden.
    Charlotte hatte mich am Tag zuvor angerufen, um mir mitzuteilen, daß es Morrie »nicht besonders gutging«. Das war ihre Art zu sagen, daß das Ende nahe war. Morrie hatte seine sämtlichen Verabredungen abgesagt und die meiste Zeit geschlafen, was ihm ganz und gar nicht ähnlich sah. Schlafen war ihm nie wichtig gewesen, nicht, wenn Leute da waren, mit denen er reden konnte.
    »Er möchte, daß du ihn besuchen kommst«, sagte Charlotte, »aber Mitch …«
    »Ja?«
    »Er ist sehr schwach.«
    Die Stufen der Veranda. Die Scheibe in der Eingangstür. Ich nahm diese Dinge auf eine langsame, achtsame Art in mich auf, als sähe ich sie zum ersten Mal. Ich fühlte das Tonbandgerät in der Tasche, die von meiner Schulter herabhing, und ich öffnete sie, um sicherzugehen, daß ich Tonbänder hatte. Ich weiß nicht, warum ich das tat. Ich hatte immer Tonbänder.
    Connie öffnete die Tür. Normalerweise voller Lebensfreude, hatte ihr Gesicht jetzt einen verhärmten

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