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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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niesen, niesen Sie mir grade druff!«
    Und wieder mit dunkler Drohung: »Dein Onkel Oskar wird mit dir reden! Aufs Dorf werden wir dich wieder schicken! Da ist vielleicht so was Mode, aber hier bei mir ...«
    Ein paar Stunden gibt es angestrengt für beide zu tun.
    Allmählich gibt es Hanne Lark auf, die Tante jetzt schon zu besänftigen. Der Zorn ist noch zu frisch. Es ist ja, denkt Hanne, nicht nur die Erbitterung über Hannes Benehmen und Fortbleiben, es ist ja auch die Wut über das gestohlene Wechselgeld.
    Tante Gustchen ist sehr genau. Sie isst lieber allein, trotztäglicher Magenschmerzen, ein verdorbenes Einmachglas leer, ehe sie es in den Abfalleimer schüttet. »Nur nichts umkommen lassen!«, sagt sie dann. »Die Nährstoffe sind ja noch immer drin, wenn’s auch ein bisschen riecht!«
    Und nun hat sie fast hundert Mark umkommen lassen müssen!
    Hanne Lark könnte der Tante ja nun erzählen, dass sich dieses Wechselgeld bereits in den Taschen von Emil Schaken gefunden hat. Aber eine solche Erzählung würde ein bisschen zu weit führen – mit Erklärungen, Begründungen, vielleicht mit Lügen. Und Hanne lügt nicht gerne – sie stellt es mit Ruhe dem Schicksal anheim, den Knoten zu lösen, den es schürzte. Die Hauptsache: er liegt geruhig auf ihrem Bett und schläft sich gesund!
    Dieses Gefühl, dass er geborgen ist, gibt ihr ein Gefühl schönen Friedens. Mit völligem Stillschweigen lässt sie die Scheltreden und Drohungen der Tante über sich ergehen. Sie hofft, der Zorn wird sich bald austoben, und in den ruhigeren Nachmittagsstunden wird sie Gelegenheit haben, mit der Tante vernünftig zu reden.
    Als aber nach zwei der Strom der Käufer abebbt und die Stunde kommt, wo die beiden gewöhnlich in der Kantine einen Teller Suppe essen, zischt die Tante nur drohend: »Du bleibst hier! Dass du mir nicht aus dem Stand gehst! Iss deine Frühstücksstullen auf, wenn du essen kannst – ich würde mich ja lieber schämen!«
    Damit geht die Tante und kommt erst einmal nicht wieder zurück. Hanne Lark will schon angst werden. Vielleicht ist die Tante voll Verdacht in die Wohnung gelaufen? Zwar sagt sich Hanne immer wieder, die Tante kann unmöglich auf einen solchen Verdacht kommen, denn Hanne war bisher noch nie »so«!
    Aber dann merkt sie bald von der einen, bald von der andern Seite, bald von vorn, bald von hinten scharfe Blicke und Getuschel: Tante Gustchen läuft in der Halle herum und schüttet bei allen befreundeten Ständen ihr Herz aus. Nichts freut eine Prüde mehr, als wenn sie die Schande einer Schamlosen auf den Markt bringen kann!
    Allein thront Hanne auf ihrem Stand, isst mit gesundem  Appetit ihr Butterbrot und muss nur manchmal lächeln, wenn sie all die Blicke spürt, das Wispern, Tuscheln zu hören meint, die übergeschäftige Heimlichtuerei durchschaut.
    Ein kleiner Lichtblick ist es aber doch, als Hannes Freundin Marie Jäckel vorüberkommt und ihr lächelnd »guten Tag« sagt.
    »Ganz alleine heute, Hanne? Was macht denn Tante Gustchen?«
    »Heute ist sie wild, ganz aus dem Häuschen!«
    »Was ist denn los? Ist ihr eine Kiste Blumenkohl verdorben, oder hat Onkel Oskar gemeutert?«
    »Nein, aber ich!«
    »Du, Hanne?«
    »Ja, ich – ich will dir schnell erzählen, hast du einen Augenblick Zeit?«
    »Es muss aber schnell gehen!«
    »Also, ich habe einen jungen Mann, ich meine, einen Herrn ... Nein, damit kann ich nicht anfangen. Also, hör zu, Marie! Du kennst doch den Emil, der hier immer die Kisten für uns schleppt?«
    »Ist das der junge Mann?«
    »Ach, red doch nicht, der ist im Gefängnis!«
    »Der junge Mann?«
    »Nein, Emil!«
    »Emil, das habe ich längst erwartet! Und der junge Mann?«
    »Aber ich habe dir doch gar nichts von einem jungen Mann erzählt!«
    »Doch, deine Augen genug! Hanne, Hanne ...«
    Sie sehen sich an.
    Dann nickt Hanne, langsam, mit strahlenden Augen: »Ja, ja. Du hast ganz recht. Was ist da viel zu erzählen? Es kam ein junger Mann und da ...«
    »Und da?«
    »Da war plötzlich die frühere Hanne Lark weg, und jetzt bin ich da! O Gott, Marie, ist das Leben schön!«
    »Ja, ach, erzähl doch, Hanne! Wie heißt er denn? Wie sieht er aus – ist er dunkel oder hell, du müsstest eigentlich einen Dunklen haben!«
    »Ich weiß es nicht. Doch ja, ich glaube, er ist dunkel – es ist ja so egal, Marie!«
    »Was ist er denn?«
    »Ich weiß doch nicht! Doch, ja, natürlich, er ist so elend, Marie! Er hat grade die Grippe gehabt, und nun hat er kein Zimmer ... Marie,

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