Dies Herz, das dir gehoert
gesund.
Sie dreht den Schlüssel von innen um, geht leise zum Bett, lässt sich davor auf die Knie nieder.
Und mit einem erleichterten Aufseufzen küsst sie die Hand des Schläfers.
Die Austreibung
Auf dem Flur ruft die Tante schrill nach der Nichte. Hanne Lark fährt hoch, zieht sich ihren Jumper aus und ist draußen, grade als die Hand der Tante nach der Türklinke fasst.
Die nächste halbe Stunde ist ein Durcheinander sich widersprechender Befehle von Onkel und Tante: der Onkel möchte es warm haben, die Tante will das Heizen sparen, denn sie werden doch gleich ins Bett gehen, von vorbereitenden Drohungen und Scheltreden, von gehetztem Arbeiten. Hanne Lark erträgt alles mit heiterer Fassung, denn er schläft tief und traumlos – noch immer.
Schließlich sitzen sie alle drei um den Abendbrottisch herum: die Auffassung der Tante hat hier gesiegt, es wird nur kalt gegessen, Schrippen mit Aufschnitt. Aber der Onkel ist auch nicht völlig geschlagen: er darf sich Rum in seinen Tee tun, was sonst nur ein Sonntagsprivileg ist. Hanne Lark ist die Heiterste: direkt, ehe sie sich hinsetzten, hat sie sich davon überzeugt, dass Johannes Wiebe weiterschläft – zum Forttragen fest!
Als Tante Gustchen den gierig fortessenden Onkel mit den Worten anfährt: »Dein Onkel sagt auch ...« und damit die eigentlichen Feindseligkeiten eröffnet, seufzt Hanne, rückt sich zurecht auf ihrem Stuhl und ist fest entschlossen, kein Wort zu antworten, keine Miene zu verziehen, sich nicht zu ärgern. Denn er schläft – und mit seinem Schlaf ist auch ihr kleiner Zorn auf die Tante wieder schlafen gegangen.
Die Tante fängt mit Kleinigkeiten, aber mit dem Anfang an, dass Hanne nie rechtzeitig aus dem Bett findet, dass sie an Sonntagen heimlich seidene Strümpfe trägt, die sie, wenn sie zu ihrer Freundin Marie geht, auf dem Treppenabsatz gegen die erlaubten wollenen austauscht. Dass Hanne noch nie zur Kirche war, dass Hanne nichts spart von ihrem guten Lohn (25 Mark im Monat, aber die Abzüge gehen noch davon ab), dass Hanne zu viel ins Kino läuft, dass Hanne an einem Sonntag zur Kirchenzeit laut in der Küche ein Lied gesungen hat von Mariechen, die weinend im Garten saß und über ihr verlassenes Kind trauert ...
Und die Tante ging zwanglos (der Onkel aß gierig immer weiter und benutzte gewisse Augenblicke, in denen die Rednerin in eine hohe Ekstase geriet, dazu, Rum nachzugießen) – die Tante ging also zwanglos auf den heutigen Morgen über, wo die Hanne ihr einen jungen Kerl angeschleppt habe, der ihr angeblich ganz unbekannt gewesen sei, mit dem sie sich bestimmt aber verabredet habe, um den armen Emil Schaken aus Lohn und Brot zu treiben.
»Aber mir war er gleich so widerlich, er hatte einen so wilden Blick, und dann konnte er sich nicht genugtun mit Laufen und Schleppen, weißt du, Oskar, so einer, der sich von vorne anschmiert ...«
»Er hat sich nicht angeschmiert!«, sagte Hanne entrüstet.
Es ist etwas Gutes um eine wohlüberlegte, mit Leidenschaft vorgetragene weibliche Scheltrede: sie bringt jedes Gewitter zur Entladung. Auch ein Engel Gottes könnte nicht stumm dabeisitzen. Hanne Lark fühlte: ihre Backen brannten.
»Gerade hat er sich angeschmiert und nicht nur bei mir! Bei allen! Glaubst du, ich bin so dumm wie du, ich kenne doch die Männer. Allen hat er Augen gemacht, sogar dem schmierigen Käsefräulein mit den aufgedrehten Löckchen. Aber du bist natürlich so eine dumme Gans, du denkst, dich sieht er alleine an!«
»Tut er auch!«
»Hörst du es, Oskar! Sie rühmt sich noch damit, so eine Schamlosigkeit! (Nimm nicht so viel Rum, Oskar, das ganze Zimmer riecht schon danach.) Freilich, wer sich vor allen Leuten an einen Mann ranschmiert, der schämt sich nicht. Aber natürlich, dein Geld kostet es nicht, dein Onkel aber und deine Tante dürfen deine Liebeleien mit hundert Mark bezahlen, die dein feiner Freund uns aus der Kasse klaut ...«
»Er hat sie ja gar nicht gestohlen!«
»Denkst du denn, ich bin so dumm wie der Wachtmeister, der sich von ein paar falschen Papieren imponieren lässt! Er allein hat sie gestohlen – wer denn sonst?«
»Der Emil, der Emil Schaken!«
Einen Augenblick saß die Tante, als habe sie ein Schlaganfall an allen Gliedern, besonders aber an der Zunge gelähmt. Dann aber legte sie los, und wie sie loslegte!
»Hörst du es, Oskar, hörst du das?! Lieber macht sie ihn und meine ganze Verwandtschaft schlecht, als dass sie was auf ihren Kerl kommen lässt! Das ist die
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