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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ist bei dir nicht das große Eckzimmer seit dem Ersten frei?«
    »Ja, aber ...«
    »Ich schicke ihn dir – heute Abend noch! Du sollst sehen ...! Pass auf! Die Tante!«
    »Nun, Fräulein Jäckel! Guten Tag! Halten Sie aber bitte meine Nichte nicht von der Arbeit ab! Hast du endlich genug Tüten gemacht, Hanne? Das sind noch lange nicht genug Tüten, Hanne!«
    »Das sind sämtliche Zeitungen, die hier waren, Tante Gustchen. Und das sind Tüten genug für eine Woche. Auf Wiedersehen, Marie! Also, du weißt, heute Abend ...«
    »Schon recht, Hanne, auf Wiedersehen!«
    »Was hast du denn mit der Jäckel heute Abend vor?«, fragt Frau Mahling argwöhnisch.
    »Ach, nichts, Tante, ach nichts.«
    »Du gehst heute Abend nicht aus, das sage ich dir, Hanne!«
    »Es ist gut, Tante Gustchen!«
    »Und morgen gehst du auch nicht aus! Keinen Abend vorläufig.«
    »Schön, Tante Gustchen!«
    Solcher Gleichmut muss einen zornigen Menschen doch zum Toben bringen! »Ich würde mich ja schämen«, bricht die Tante wieder aus. Und besinnt sich. »Ich hab so ’ne Ahnung«, sagt sie. »Du hast dir von Oppermann faule Apfelsinen anschmieren lassen. Mach mal alle Kisten, die da hinten stehen, der Reihe nach auf und sieh jede Apfelsine nach. Die faulen bringst du mir – ich werde dem Oppermann zeigen, ob Frau Mahling sich von ihm reinlegen lässt.«
    »Ja, Tante Gustchen«, sagt Hanne Lark und geht sehr zufrieden zu ihren Kisten, ist sie doch nicht in unmittelbarer Nähe der ewigen scheltenden Rederei, die immer in ihre schönsten Träume hineinfährt.
    Geschickt öffnet sie die Kisten, nimmt Apfelsine für Apfelsine heraus, wickelt sie aus ihrem Seidenpapier, sieht sie nach, befindet sie für gut, wickelt sie wieder ein, legt sie in einen Korb beiseite und fährt träumerisch und gedankenvoll in dieser geruhigen Tätigkeit fort, bis der Kistenboden erreicht ist. Dann packt sie die Apfelsinen wieder ein, heftet den Deckel auf und macht sich an die nächste Kiste.
    Es stört Hanne Lark kaum, dass Tante Gustchen von Zeit zu Zeit erscheint und ihre Befunde kontrolliert. Bei derTante lässt der Zorn nämlich nicht nach, sondern er steigt eher.
    Für einen zornigen Menschen gibt es nichts Verhassteres, als dass der, dem man zürnt, nur schweigt und gar noch manchmal verloren lächelt.
    Die Tante kann ihren Zorn nicht loswerden, also zieht er in ihr herum wie eine Gewitterwolke, die sich nicht entladen kann, und alles wird fahl und düster, was in den Schatten der Wolke gerät.
    So ist Frau Mahling jetzt fest davon überzeugt, dass ihre Nichte Hanne Lark ein völlig verdorbenes, hinterhältiges Mädel ist. Fest davon überzeugt, dass dieselbe Hanne Lark mit dem Oppermann unter einer Decke steckt, um ihr schlechtes Obst anzudrehen. Die Tante hat ja an den andern Ständen gehört, dass der Oppermann der Hanne geholfen hat, den jungen Kerl aus den Händen der Polizei freizukriegen, und schließlich ist die Tante fest davon überzeugt, dass die Hanne doch eine Verabredung für den heutigen Abend hat, vielleicht mit der Marie Jäckel, wahrscheinlich aber mit dem jungen Mann!
    Dies aber zu verhindern, ist die Tante fest entschlossen, denn wo kämen Sitte und Moral hin, wenn eine Nichte von ihr sich einfach mit einem jungen Mann trifft, den sie gar nicht kennt, dem sie sich aber vor allen Leuten gewissermaßen schamlos an den Hals geschmissen hat?! Sie, Frau Auguste Mahling, wird es verhindern und käme sie auch um ihr warmes Abendessen!
    Als darum ihre Nichte um viertel sechs zu ihr kommt und sagt: »Es ist wohl Zeit, Tante Gustchen. Ich geh jetzt Abendessen machen«, sagt die Tante: »Bist du mit deinen Apfelsinen fertig?«
    »Nein, zwei Kisten stehen noch da!«
    »Also mach die Apfelsinen fertig!«
    »Aber das Abendessen!«
    »Wirst du tun, was ich dir sage?!«
    Mit jetzt wirklich fliegender Hast macht sich Hanne Lark an die vorletzte der beiden Kisten. Sie hat ihm gesagt, sie wird um halb sechs bei ihm sein – und jetzt wird es mindestens sechs. Hoffentlich schläft er – es ist noch nichts verloren, wenn er nur schläft.
    Als Hanne Lark ihre Apfelsinen hinter sich gebracht hat, ist es schon nach sechs – unter der Tante wachsamen Blicken hat sie nicht pfuschen können –, und nun stehen die Käufer der letzten Stunde so dicht am Stand, dass sie es gar nicht anders erwartet, als dass die Tante sagt: »Hilf mit.«
    Die Tante sagt es, sie hilft mit.
    Sie verkauft, wiegt ab, wickelt ein, zählt Geld ab, viertel sieben, halb sieben, dreiviertel

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