Dies Herz, das dir gehoert
schaltete sofort das Licht ein – und da saß Johannes Wiebe also wirklich auf dem Bettrand, in Hemd und Hose, mit zerrauften Haaren, noch recht verschlafen aussehend, sagte aber sehr gut gelaunt, in das plötzliche helle Licht blinzelnd: »Ist es schon halb sechs? Meine Uhr ist stehengeblieben. Ach, ich habe so herrlich geschlafen, und ich habe auch von dir geträumt, Hanne.«
Da sah er, dass jemand anders in der Tür stand, und verstummte erschrocken.
Aber schon war Hanne bei ihm, und nun war es, als wenn seine gute Laune sich sofort auf sie übertrüge.
Sie sagte mit fröhlicher Stimme: »Das ist wunderbar, Hannes, es ist schon gleich neun. Du hast fast zwölf Stunden geschlafen. – Das ist Frau Mahling, Hannes, meine Tante Gustchen. Sie ist sehr böse auf mich, dass ich dich hier in die Wohnung gebracht habe.«
»Darum müssen Sie ihr nicht böse sein, Frau Mahling«, sagte Hannes und ging mit ausgestreckter Hand auf die Tante zu. »Das war ein gutes Werk ...«
Die Tante stand wie ein Bild des Jammers, sie nahm die Hand nicht.
»Raus!«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Heraus!«
»Ja, Hannes«, sagte Hanne wieder ganz fröhlich und nahm ihren Koffer vom Schrank. »Mach dich fertig, wir müssen alle beide ziehen. Wir haben uns gegen Sitte und Anstand vergangen.«
»O Hanne!«, sagte er, und sein Gesicht veränderte sich zu Trauer. »Habe ich dich mit deinen Verwandten auseinandergebracht? Siehst du, ich bring dir Unglück. Ich schwöre Ihnen, Frau Mahling, es ist nichts passiert ...«
»Schwöre nicht, Hannes! Tante Gustchen glaubt nicht an die Schwüre von jungen Männern, die in den Zimmern fremder junger Mädchen stehen. Du hast mir Unglück gebracht? Ist es denn ein Unglück, wenn man von harten, engen Menschen fortgeht?«
»Aber ich habe kein Geld, Hanne, und du ...«
»Ich habe auch kein Geld! Aber was macht das? Wir können überall arbeiten. Heute gibt es hier für jeden Arbeit, so viel Arbeit, viel zu viel Arbeit! Und ein Zimmer weiß ich auch schon für dich, und für mich werde ich auch eins finden.«
Stumm hatte die Tante bisher zugehört, aber mit scharfen Augen dem Einpacken der Nichte zugeschaut. Jetzt abererwachte sie aus ihrer Erstarrung, mit scharfer, böser Stimme sagte sie: »Das sind meine Handtücher, die du da einpackst, hörst du!«
Hanne sah die Tante an. »Du weißt gut, Tante Gustchen«, sagte sie und hielt das halbe Dutzend ungebrauchter Gerstenkornhandtücher zwischen den Händen, »dass du mir die zum Geburtstag geschenkt hast.«
»Die habe ich meiner Nichte geschenkt, aber nicht einem liederlichen Frauenmensch, das sich dem nächsten Kerl an den Hals schmeißt!«
»Also nimm sie, Tante«, sagte Hanne gleichmütig. »Ich glaub ja immer, es ist besser, sich aus Liebe wegzugeben, als dreißig Jahre mit einem Manne zu leben, für den man kein Fünkchen Zuneigung hat.«
»Da haste recht, Hanne!«, rief der Onkel heiter lärmend. Und beim Anblick des fremden jungen Mannes sehr erstaunt: »Wer ist denn das? Den kenn ich doch gar nicht! Gestatten Sie, mein Name ist Mahling ...«
Und er wollte durchaus Johannes Wiebe die Hand schütteln, die Tante musste ihn erst in den Flur, dann in die Schlafstube abdrängen.
»Sei doch nicht so, Gustchen!«, hörte man ihn noch in der Ferne. »Das ist ein netter junger Mann – so was verstehe ich ...«
Unterdes waren die Koffer gepackt.
»Und du kommst wirklich mit, Hanne?«, fragte Johannes Wiebe mit leuchtenden Augen.
»Aber natürlich, Hannes! Ich bin froh!«
»Und ich – oh, ich bin ja so glücklich!«
Die Tante stand wieder stumm in der Tür. Ferne hörte man den Onkel eine fröhliche, aber unkirchliche Weise singen.
»So, Tante«, sagte Hanne energisch, »und ehe wir nun gehen, bekommt Hannes fünf Mark von dir und ich noch siebzehn.«
»Keinen Pfennig!«, sagte die Tante.
»Bitte, Hanne ...«, bat auch Johannes Wiebe.
»Natürlich bekomme ich das Geld. Du weißt sehr gut, wohin ich sonst morgen gehe, Tantchen. Überleg es dir gut.«
Und zu Johannes Wiebe: »Wir haben nichts zu verschenken, wir müssen auf unser Geld sehen. – Also mach zu, Tantchen!«
»Das hätte ich nie von meines Bruders Tochter gedacht!«, fing die Tante weinerlich an.
»Nein, das hättest du nicht! Aber jetzt möchte ich mein Geld haben. Nein, Tantchen, nicht den falsch zusammengeklebten Zwanzigerschein, den kenne ich zu gut. Und überhaupt musst du Hannes und mich getrennt löhnen, noch haben wir keine gemeinsame Kasse. – Hier, Hannes,
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