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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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noch nicht das Beste«, fuhr sie fort. »Sie war nicht mal mit deinem Vater zusammen .« Als seine Mutter diese Bombe zündete, sah Griffin kurz zu Bartleby, der, obgleich noch nicht vollkommen verstummt, nur die Schultern zuckte, als wollte er sagen: Sieh mich nicht so an – ich lebe bloß hier .
    Claudia, berichtete seine Mutter, war mit seinem Vater nach Amherst gezogen, das stimmte. Doch sie war nicht lange geblieben. Das winzige Haus, das sie gemietet hatten, lag beinahe dreißig Kilometer von der Universität entfernt, und da sie nur einen Wagen hatten, musste Claudia entweder seinen Vater zur Uni begleiten oder aber im Hinterwald bleiben, bis er zurückkehrte. »Arbeite an deiner Dissertation«, hatte sein Vater vorgeschlagen. Tatsächlich hatte er dieses abgelegene Haus vielleicht gerade deshalb gemietet, weil ihr dort wenig anderes übrig blieb, als sich an die Arbeit zu machen. Ihre Antwort, blasiert und mit breitestem Südstaatenakzent, hatte angeblich gelautet: »Den ganzen Tag?«
    Mitte Oktober gab es einen Kälteeinbruch, und nach mehreren eisigen Regentagen verkündete sie eines Morgens, sie wolle für eine Weile nach Atlanta fahren und eine Freundin besuchen. Hier sei es so kalt, dass sogar ihre Muschi schon ganz eingefroren sei, worauf Griffins Vater erwiderte, das könne er nicht beurteilen. Warum sie das nicht am Abend noch einmal besprächen, wenn er von der Uni zurück sei? Aber da war sie schon weg.
    Seine Mutter gab zu, nicht genau zu wissen, wann er herausgefunden hatte, dass diese »Freundin« tatsächlich ein Freund war und nicht in Atlanta, sondern in Charleston lebte. Offenbar hatte Claudia versucht, eine falsche Spur zu legen, als stammte Griffins Vater – und hier schnaubte seine Mutter verächtlich – aus einer Familie von hartgesottenen Bullen und Privatschnüfflern und wäre ein Mann, der sogleich die Verfolgung aufnehmen und niemals aufgeben würde, während er doch in Wirklichkeit nur tief seufzte und dachte: Tja … nun ist sie also fort .
    Dass Claudia für eine Weile fortbleiben wollte, war offensichtlich, denn sie hatte ihre gesamte Garderobe mitgenommen, ja eigentlich all ihre Sachen, mit Ausnahme des Materials, das sie mit seiner Hilfe für ihre Dissertation gesammelt hatte. Diese Papiere hatte sie in einem beeindruckenden Stapel mitten auf dem Esstisch zurückgelassen, zusammen mit einem knappen Abriss, den er kurz überflog und dann wegwarf. Bei einem anderen Mann hätte diese Geste angedeutet, dass er mit ihr fertig war, dass er sowohl das inkohärente Geschreibsel auf dem Papier als auch die Flammenschrift an der Wand gelesen und verstanden hatte. Doch leider sah Griffins Vater nur einen vernünftigeren Ansatz für die Dissertation seiner Verlobten, und so holte er einen Block hervor und begann zu skizzieren, wie er vorgehen würde, wenn es nicht Claudias, sondern sein Projekt gewesen wäre. So, sagte er sich, würde sie feststellen, wenn sie in ein, zwei Wochen zurückkam (er hatte aus dem leeren Kleiderschrank noch immer nicht die unabweisbaren Schlüsse gezogen), dass sie mit der Arbeit nicht in Verzug, sondern vielmehr voraus war. Die zuvor verschwommene, aufgeblähte Absichtserklärung hatte sich in eine detaillierte, bearbeitungsfähige Gliederung verwandelt, mit Bedacht in handliche Segmente und Untersegmente unterteilt, die nur noch durchgekaut werden mussten, eine Abfolge von Bissen, die sogar die träge Claudia bewältigen konnte. Gewiss, das war etwas, was sie selbst hätte tun sollen – aber warum nicht? Es konnte ja ihr gemeinsames Geheimnis sein. Sie würde ihm so dankbar sein, dass ihre eingefrorene Muschi auftauen würde.
    So hatte der ganze Alptraum laut Griffins Mutter begonnen: als intellektuelle Übung in Vermeidung. Am ersten Abend, als er nach Hause kam, feststellte, dass sie verschwunden war, und sich daran machte, ihren Abriss durch seinen eigenen zu ersetzen, hätte er die Behauptung, er werde tatsächlich irgendeinen Teil der Dissertation seiner Verlobten schreiben, empört zurückgewiesen. Aber eine Woche verging, ohne dass Claudia zurückkehrte, und dann eine zweite, und das Material lag noch immer auf dem Tisch (obwohl er es zur Seite geschoben hatte, um Platz für das Essen vom Lieferservice zu schaffen), und er fand den Gedanken, sie könnte noch mehr in Verzug kommen, unerträglich. Natürlich hatte Claudia – wieder laut Griffins Mutter – all das vorausgesehen. Sie war vielleicht dumm wie ein Plastikjesus, aber gerissen. Und

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