Diese alte Sehnsucht Roman
Griffin schließlich gelang, das Gespräch zu beenden, war Joy gewöhnlich schon fertig und räumte das Geschirr in die Spülmaschine.
Doch dies klang anders, und Griffin spürte sogleich einen Adrenalinstoß. Seine Gedanken rasten dahin wie die eines erfahrenen, berechnenden, gerissenen Drehbuchautors aus L.A. – er hatte gar nicht gewusst, dass er noch so denken konnte. Wenn Sid so aufgeregt war, konnte es sich nur um einen Spielfilm handeln, womöglich um einen, der bereits – mit einem beschissenen Drehbuch – in Produktion war. Das wäre doch mal was! Wahrscheinlich war irgendein Star erster Klasse in letzter Sekunde an Bord gekommen, und weil sie sich nach dem Terminkalender dieses Trottels richten mussten, hatten sie früh mit den Dreharbeiten begonnen. Das würde erklären, warum sie zu Griffin kamen, der in dem Ruf stand, schneller als alle anderen zu sein.
Er brauchte etwa eine Sekunde, um sich dieses Szenario auszudenken, und eine weitere, um es nach Löchern abzuklopfen, und davon gab es mehrere. Das offensichtlichste war, dass sich dort drüben niemand mehr daran erinnerte, ob er langsam oder schnell war, weil sich, da sollte er sich nichts vormachen, niemand mehr an ihn erinnerte. Trotzdem war es eine sehr unterhaltsame Abfolge von Ereignissen – als würde man sich vorstellen, dass sich eine Frau, die man für unerreichbar hielt, in einen verliebt. Das war immerhin möglich, ja, es war schon vorgekommen. Als sie sich kennengelernt hatten, war jeder Mann, den er kannte, in Joy verliebt gewesen, denn sie war nicht nur schön, sondern auch authentisch – eine Eigenschaft, die überall, und besonders in Südkalifornien, Seltenheitswert hatte.
Na gut, also mal angenommen, Griffin hatte recht. Sid hatte etwas für ihn aufgetan. Einen Spielfilm. Alles musste sofort mit Warp-Geschwindigkeit geschehen. Er würde das vermasselte Drehbuch noch heute Abend in der Hand haben, Sid würde über das Wochenende die Bedingungen aushandeln, und am Montag würde Griffin nach L.A. fliegen. Oder dahin, wo gedreht wurde. Es würde ein Laptopjob sein. Arbeiten bis spät in die Nacht. Chinesisches (inzwischen wohl eher thailändisches) Essen vom Lieferservice. Frühe Weckrufe. Angemessenes Honorar. Wie in den guten alten Zeiten.
»Universal?« Konnte das sein? Wen kannte er bei Universal?
»Nein, ich habe Universal nur als Beispiel gebraucht.«
»Aber er hat einen Job?«
»Ich weiß es nicht, Griffin.« Joy war jetzt deutlich ungeduldig. »Es klang nach Arbeit. Du wirst es hören, wenn du ihn zurückrufst.«
»Aber was genau hat er gesagt?«
»Wir haben nicht miteinander gesprochen. Er hat eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich habe zurückgerufen und seinem Anrufbeantworter gesagt, er kann dich auf dem Handy erreichen.«
»Warum ruft er mich dann nicht an?« Genau genommen brauchte er nicht Joy, um diese Frage zu beantworten. Sid hatte nicht angerufen, weil vor ihm eine Liste mit Namen lag und er Griffins wahrscheinlich bereits durchgestrichen hatte. Bei dieser nur allzu plausiblen Erklärung sank ihm das Herz. Allerdings war auch sie nicht besonders stichhaltig. Warum eine dringende Bitte um Rückruf hinterlassen, wenn man bereits einen anderen im Auge hatte?
»Das fragst du mich?«
»Nein, ich hab nur laut gedacht.«
»Hast du Laura schon angerufen?«
»Noch nicht, Joy. Mach ich aber gleich.«
Er unterbrach die Verbindung, scrollte durch das Telefonbuch des Handys und hielt kurz bei LAURA inne, bevor er SID anwählte. Im vergangenen Jahr hatte er ein halbes Dutzend Mal erwogen, den Eintrag zu löschen, doch er hatte recht daran getan, ihn stehen zu lassen, dachte er jetzt lächelnd. Nach vier Ruftönen schaltete sich der Anrufbeantworter des Agenten ein und forderte ihn auf, eine Nachricht zu hinterlassen. Seltsam. Selbst wenn man die drei Stunden Zeitunterschied berücksichtigte, sollte Sid jetzt eigentlich in seinem Büro sein, und wenn schon nicht er selbst, dann wenigstens Darlice, seine langjährige Assistentin. Gingen seine Geschäfte so schlecht, dass er sie hatte entlassen müssen? Das Kurzwahlverzeichnis von Sids Telefon war einst ein Who is Who der Hollywood-Prominenz gewesen, doch laut Tommy hatten seine wichtigen Klienten einer nach dem anderen den Agenten gewechselt. Trotzdem: Dass Sid nicht ans Telefon ging, war unmöglich. Griffin kam der Gedanke, Tommy könnte vielleicht wissen, was Sid anzubieten hatte. Sein alter Partner war immer stolz darauf gewesen zu wissen,
Weitere Kostenlose Bücher